Durch den Unfall war so viel Zeit verloren gegangen, dass etwa
eine Stunde vor Coroico die Nacht hereinbrach. Die
Scheinwerferleistung des Motos ist reichlich begrenzt, ein
Fernlicht gibt es nicht. Der durch entgegen kommende oder zu
überholende LKW aufgewirbelte Staub setzte im Verein mit der
Nacht die Sicht gegen Null. Es war nicht daran zu denken, das
Visier des Helms herabzuklappen oder eine Brille aufzusetzen.
Endlich in den Lichtern von Coroico, traf ich auf der Plaza den
Hans von der Backstube, der mir auch den Weg zur Planta
Médica von Kurt Pauli erklärte, aber so kompliziert, außerdem
war es stockdunkel, so dass ich es vorzog, bei Fernando im Hotel
„Esmeralda“ zu übernachten.
Inzwischen habe ich bei einem Mechaniker den Fußständer reparieren lassen (hat
ihn mit einem Schweißbrenner erhitzt und dann gebogen),
das Öl nachfüllen lassen (hoffentlich war die Undichtigkeit
nur kurzfristig durch den Aufprall verursacht; bislang tritt
kein weiteres Öl aus), und ein Glaser hat mir einen neuen
Spiegel eingesetzt und mit Silikon festgeklebt.
Einen Rucksack als Ersatz für die Radtasche habe ich auch
erstanden, fehlt noch das Nähen meiner Handschuhe.
Aber jetzt besuche ich erst Kurt und Beatriz Pauli auf der Planta Médica.
Nach dem Reparaturvormittag in Coroico folgte ein geruhsamer Nachmittag und
Abend auf der Planta Médica von Beatrix und Kurt sowie
Sara Pauli. Wunderschönes, 40 ha großes Grundstück am
Hang, das meiste naturbelassen oder mit verschiedenen,
auch nicht medizinischen Pflanzen versehen, dazwischen
Plateaus mit den Heilpflanzen, die Echinacea purpurea
natürlich, Kamille, Ginko neuerdings, um nur einige zu
nennen. Ein Paradies, in dem eine immense Arbeit steckt.
Relativ spät am Vormittag kam ich weg von Coroico, Ziel war
Sapecho. Nach zehn Hundeattacken (einer biss in
meinen linken Stiefel, hätte sich fast mit den Zähnen
in den Stiefelschnallen verfangen und wäre
mitgeschleift worden) kam ich um halb drei in
Caranavi an: Mittagessen im Hotel "Jatata", wo ich
zuletzt mit dem Edgar Kann vor geraumer Zeit gegessen hatte, auf dem
Weg zur Goldmine in der Nähe von Guanay. Die verdammten Hunde,
die gnadenlose Rüttelpiste, noch leichte Schmerzen vom Sturz, Unmengen
geschluckter Staub: Im "Jatata" ist ein Swimming Pool.
Ich beschloss zu bleiben.
Diario de un motociclista/2
San Javier, Chiquitania, 4. Mai 2006, Tag 6, km 1118
Der Bericht brach ab am Tag 4 in Caranavi, dem Urwald- und Kaffeeort mit den
angenehmen Temperaturen. Von dort gingt es Richtung San Borja zunächst 30 km
bergauf, und zwar weiter im Linksverkehr wie auf der Strecke
Cumbre - Caranavi, was ich allerdings nicht wusste, und was auf
den unübersichtlichen Kehren, vorsichtig ausgedrückt, Unsicherheit
bei mir erzeugte. Eine Piste mit lockerem Geröll, bergauf und bergab
gehend: Für ein Motorrad mit hohem Gepäckaufbau sehr
anstrengend. Die Fahrgeschwindigkeiten lagen zwischen 25 und 40
km/h; langsamer als mit dem Jeep. Ab Yukumo (Mittagessen, Suppe
und Schweinebraten für umgerechnet 60 €-Cent inmitten von Staubwinden auf
groben Holztischen direkt neben der Strasse) verwandelte sich die Geröllpiste in
eine Lehmstrasse, unterbrochen durch Hunderte Meter bis
kilometerlange Sandbunker, in denen die Honda
schwamm. Mein Respekt gilt nicht mehr den
Allradpiloten der Raylle Paris – Dakar, sondern
eindeutig den Zweiradpiloten dieser Raylle. Das
Motorrad lag vom Fahrverhalten eindeutig dem
Fahrrad viel näher als dem Auto.
210 km Piste zwischen Caranavi und San Borja. Sieben Fahrstunden.
Siegfried
Trapp
Willkommen
Bienvenido
Welcome
strapp.de durchsuchen: