Diario de un motociclista/1
Hotel Esmeraldas, Coroico, am 29. April 2006
Was der erste Tag der Reise an Abenteuer lieferte,
hätte mir für mindestens vier Wochen gereicht.
Meine Abfahrt hatte sich um 5 Stunden verspätet,
weil ich noch einen Trámite (schwer
übersetzbares Wort! Dienstweg?
Bearbeitung?) in der Botschaft wegen des Verkaufs meines
Autos machen musste, und weil die Befestigung des
Gepäcks auf der Motocross-Maschine ziemliche Probleme
machte. Nach drei Kilometern, im Stadtteil Villa Fatima
von La Paz, war dann auch bereits die Fahradsatteltasche,
die mir
der Reinhard (”Reineke Fuchs”) Rößling für die Reise liebenswerterweise zur
Verfügung gestellt hatte, hinüber. Da sie im Gegensatz zum Fahrrad am
Motocrossmotorrad nur oben befestigt werden konnte, schwang sie hin und her und
war vom Hinterreifen regelrecht zerrieben worden, teilweise auch ihr Inhalt.
Auf der Cumbre, der Passhöhe zum Tiefland, auf 4500m, gab es immer wieder
Motoraussetzer wegen des Sauerstoffmangels, und es wurde mir recht kalt.
Der GAU passierte dann auf der Abfahrt von der Cumbre, wenige Kilometer vor dem
Tunnel auf dem Weg in die Yungas, den Nebelwäldern am Abhang der Anden. Ein
schwarzer Hund attackierte mich, unterschätzte völlig die Geschwindigkeit des
Motorrades, und geriet bei etwa 80 km/h unter mein Vorderrad. Der Sturz erfolgte
in Sekundenbruchteilen. Der Aufprall ist mir nicht mehr in Erinnerung, nur der
Moment des Fallens und wie mir die Straße näher kommt (im Moment des Falls
dachte ich noch, kann ein Hund so ungeschickt sein, wie hat er bis dahin überlebt?),
dann setzt die Erinnerung wieder ein etwa 20 m weiter auf der Asphaltstrasse. Das
Motorrad war etwa 18 m weit geschlittert.
Die nächsten 5 Minuten war ich mehr oder weniger unter Schock, zwei Männer
halfen mir das Moto von der Strasse zu ziehen, damit nicht noch jemand reinfährt.
Als der Schwindel etwas nachließ, merkte ich, dass ich nichts gebrochen hatte;
lediglich Abschürfungen am Ellbogen und eine Platzwunde mit dazugehöriger
Schwellung an der Hüfte. Ich war sehr glücklich, dass ich auch im vorschriftsarmen
Bolivien Wert auf die Ausrüstung gelegt hatte, den guten Helm, die extra angefertigte
Lederjacke (sie hatte nur einige Abschürfungen, wie auch die Motocrosshose), die
schweren Stiefel und die Hartplastik-Knieschoner waren fast ohne Kratzer geblieben,
nur an den Lederhandschuhen waren einige Nähte aufgeplatzt. Sogar die Kamera in
der Brusttasche hatte überlebt. Aus dem Moto ist etwa ein 3/4 L Öl ausgelaufen, ein
Rückspiegelglas ist zertrümmert, der Fußständer verbogen, so dass der Kickstarter
nicht mehr zu betätigen war, weil durch diesen Ständer blockiert.
Mit einer Brechstange und einem Hammer hatten wir dann versucht,
das zu reparieren, aber der Stahl gab nicht nach.
Der Hund war tot.
Die Reise war für 5 Wochen geplant. Sollte ich nach zwei Stunden Reise
aufgeben, zurückfahren, mich in einem Krankenhaus untersuchen
lassen, ob nicht doch ernsteres passiert war? Ich hatte das Bedürfnis,
mich in ein weiches Bett zu legen.
Ich habe dann das Moto bergab anrollen lassen, es sprang auch an.
Der Gedanke, aufzugeben und nach La Paz zurück zu kehren, war
verlockend, aber auch mit dem Gefühl einer Niederlage verbunden.
Ich fuhr weiter.
Eintauchend in die Yungas auf etwa 2500m Höhe wurde es etwa
eine Stunde später endlich wärmer. Das Moto lief gut, und es war natürlich für einen
Motorradfahrwiederanfänger wie mich ideal, die nächsten Fahrstunden auf der alten
Strasse noch Coroico, dem „Camino de La Muerte“ (für mit Bolivien weniger
Vertrauten: der so genannten Todesstraße; bei Google gibt es unzählige Links zu
dieser Straße) zu machen.
Siegfried
Trapp
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