Aalen, 08.03.2014
Der Gletscherein- bzw. ausstieg am Cayambe war teilweise bis zu 60° steil und mit
scharfen Eiskanten versehen. Auf dem Rückweg brach mir in diesem aus nahezu purem,
höckerigen Eis bestehenden Gletscherausstieg etwa in der Mitte der Wand eines meiner
Steigeisen glatt mittendurch. Ich meine mich erinnern zu können, dass dieses Steigeisen
mir in einer harmloseren Situation schon einmal gebrochen war und ich, aus
Kostengründen, oder weil in Quito damals kein anderes aufzutreiben war, es hatte
schweißen lassen.
Es war einer von mehreren Momenten an den Bergen, wo mich Panik erfasste, und
vielleicht auch Todesangst. Ich weiß nicht mehr, wie ich es schaffte, unbeschadet
herunterzukommen, aber noch Stunden später verkrampften meine Oberschenkel, mit
denen ich versucht hatte, mich in das Eis hinein zu pressen.
Etwa eine Stunde nach unserer Rückkehr traf ein US-Amerikaner von diesem
Gletschereinstieg in der Schutzhütte ein, der, von seinem Abrutschen an dieser Eiswand,
blutige Fleischlappen im Gesicht trug.
Bilderfilm Cayambe
Am sehr aktiven Reventador geriet ich in kurzzeitig in eine Wolke aus Schwefeldioxid, ein
bekanntlich nicht nur stechend riechendes sondern auch giftiges Gas. Auch dies hätte
nicht so glimpflich ausgehen müssen. Ich war 35, wog bei 1,80m Größe 72 kg und war in
der wahrscheinlich besten Form meines Lebens. Zuvor hatte ich in dem schwer
zugänglichen Gelände beim Aufstieg auf das Basislager den Rucksack eines Begleiters,
der Probleme hatte, auf meinen eigenen aufgepackt und damit etwa 35 kg das steile und
zum Teil rutschige Dschungelgelände hochgeschleppt. Wir hatten Zelte, Schlafsäcke und
Kochutensilien dabei und zelteten oben. Das heißt einer von uns, ich glaube es war R.D.,
hatte sein Zelt unterwegs verloren, so dass wir zu dritt (oder viert?) in meinem
Zweimannzelt die Nacht sitzend verbrachten. Das enorme Gewicht des zweiten Rucksacks
bereitete mir dann auf dem steilen Rückweg allerdings beträchtliche Knieschmerzen.
Bergsteigen und Fußballspielen setzt den Menisken beträchtlich zu.
Bilderfilm Reventador
Zelten auf dem Gipfel des Cotopaxi, des für mich schönsten Berges, den ich kenne, war
schon lange ein Wunschtraum von mir gewesen.
Nachdem ich C.E. und R.R. einige Zeit von dem Vorhaben vorgeschwärmt hatte, gingen
wir es Ende 1989 an, und wie es so bisweilen mit Wunschträumen ist, nicht ganz ohne
Probleme.
Ein junger, gut austrainierter und alpenerfahrener Schweizer hatte sich uns kurzfristig
angeschlossen. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, war es kurz unterhalb der
Yanasacha auf etwa 5700m Höhe, als ihm schlecht wurde und er sich mehrfach übergab.
Es lag der Verdacht auf Höhenkrankheit nahe, da er erst vor kurzem nach Ecuador
gekommen war und über keine Höhenanpassung verfügte. Er hätte sofort nach unten
gebracht werden müssen, aber auch wir waren sehr erschöpft, weil wir nicht wie sonst
mit leichtem Gepäck vom Basislager zum Gipfel unterwegs waren, sondern wegen der
Übernachtung Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Kochgeschirr usw. hochgeschleppt hatten.
Wir legten ihm eine Isomatte aus, auf der er sich hinlegte und binnen kurzer Zeit
einschlief.
Nachdem er einige Zeit später erwachte, war er gottseidank einigermaßen ok und konnte
den Restaufstieg auf den Gipfel bewältigen.
Als mein Zelt aufgebaut war, erfasste mich eine solche Euphorie über unser gelungenes
Vorhaben und unsere Leistung, dass ich bei vielleicht minus 20 °C barfuß und ohne
Beinkleider in der Gegend herumhüpfte. Das war keine gute Idee. Wenig später überfiel
mich im Zelt ein Schüttelfrost, der sich nicht abstellen ließ. Dazu gesellte sich eine bös
klopfende Migräne, die die ganze Nacht über anhielt und sich durch mehrere
eingenommene Schmerztabletten nicht im Geringsten beeindrucken ließ. Der
Sauerstoffmangel auf etwa 6000m Höhe war diesem Zustand auch nicht gerade
zuträglich. Schlaf war nicht möglich, nur bisweilen ein Dämmerungszustand. Erst am
nächsten Morgen war ich soweit wieder hergestellt, dass ich mich zu einem Versuch der
Kraterumrundung aufmachen konnte.
Bilderfilm Cotopaxi
Siegfried
Trapp
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