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Zucker im Tank Der stotternde Motor des brasilianischen PROÁLCOOL-Programms von Florian Dünckmann Es war schon eigenartig: Da hob Brasilien Mitte der 70er Jahre als erstes und einziges Land ein breit angelegtes Programm zur Nutzung regenerativer Energieträger im Kfz-Verkehr aus der Taufe und setzte es konsequent um. Auch die Automobilindus-trie zog nach anfänglichem Zögern mit und begann mit der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen, die auf der Basis von aus Zuckerrohr hergestelltem Äthylalkohol betrieben werden konnten. Zeitweise wurden bis zu 90 Prozent der Neuwagen mit Alkohol betrieben, der noch heute an allen brasilianischen Tankstellen angeboten wird und dessen Preis nie mehr als 65 Prozent des Benzinpreises beträgt. In den 90er Jahren geriet das Programm in eine Krise. Die Kritik bezog sich auf die verkehrspolitische Sackgasse, die die Festlegung auf den Pkw bedeutet, aber auch auf öko- logische Folgen. Neuerdings werden aber verstärkt „flexfuel“-Autos auf dem Markt angeboten, die sowohl mit Benzin als auch mit Alkohol betrieben werden können. Eigentlich erscheint das PROÁLCOOL-Programm als ein Erfolg auf ganzer Linie: Positive wirtschaftliche Impulse für die heimische Industrie und Agrarwirtschaft, billiger Treibstoff für eine mobiler werdende Mittelschicht und all dies auf der Basis von Sonnenenergie, nutzbar gemacht mit Hilfe des Zuckerrohrs und seiner Photosyntheseleistung. Trotzdem sparte José Lutzenberger, die Leitfigur der brasilianischen Umweltbewegung, seinerzeit nicht mit ver- nichtender Kritik, nannte das PROÁLCOOL-Programm illusorisch, betrügerisch, unmoralisch, ja sogar verbrecherisch. PROÁLCOOL würde die Probleme, die es zu lösen vorgibt, nur noch verschlimmern. Dabei meinte er nicht nur die ökologische Dimension, sondern dachte auch an die ökonomischen und sozialen Auswirkungen. Wie kam er bereits zu Beginn der 80er Jahre, als sich das Programm in einem kräftigen Aufschwung befand, zu dieser ernüchternden Bewertung, mit der er grundsätzlich Recht behalten sollte? Um das PROÁLCOOL-Programm und seine Entwicklung von der Blütephase in den 80er Jahren bis zur Krise in den 90er Jahren besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf die Ursprünge des Programms und die damaligen Ziele: Die erste Ölkrise 1974 traf Brasilien, das damals rund 80 Prozent seines Rohöls importieren musste, besonders hart. Die damalige Militärregierung, die eine Doktrin der nationalen Autarkie verfolgte, sah ihre Energiever- sorgung und damit die Achillesferse ihrer ambitionierten nationalen Industrie- und Ent- wicklungspolitik gefährdet. Hinzu kam der politische Druck der damals einflussreichen Zuckerwirtschaft, die unter niedrigen Weltmarktpreisen litt. Diese Konstellation gab den Nährboden für das ehrgeizige PROÁLCOOL-Programm ab, das als Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft konzipiert war: Mittels massiver Eingriffe (Subventionen, billige Kredite, Steuerbefreiungen für Alkoholfahrzeuge, Preisfestsetzungen, Forschungsförderung) forcierte der Staat die Umstellung eines Großteils des Kfz-Verkehrs von Benzin oder Diesel auf Äthylalkohol. Zunächst wurde der Alkohol nur dem Benzin beigemischt; in einer zweiten Phase begann die Produktion von Fahrzeugen, die ausschließlich auf Alkoholbasis fuhren. Bemerkenswert ist, dass ökologische oder soziale Überlegungen bei der Konzeption des Programms kaum eine Rolle spielten. In der Tat sieht die soziale und ökologische Bilanz des PROÁLCOOL- Programms nicht positiv aus. Text-Quelle: www.ila-bonn.de
Siegfried Trapp
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Zucker im Tank Der stotternde Motor des brasilianischen PROÁLCOOL-Programms von Florian Dünckmann Es war schon eigenartig: Da hob Brasilien Mitte der 70er Jahre als erstes und einziges Land ein breit angelegtes Programm zur Nutzung regenerativer Energieträger im Kfz-Verkehr aus der Taufe und setzte es konsequent um. Auch die Automobilindus-trie zog nach anfänglichem Zögern mit und begann mit der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen, die auf der Basis von aus Zuckerrohr hergestelltem Äthylalkohol betrieben werden konnten. Zeitweise wurden bis zu 90 Prozent der Neuwagen mit Alkohol betrieben, der noch heute an allen brasilianischen Tankstellen angeboten wird und dessen Preis nie mehr als 65 Prozent des Benzinpreises beträgt. In den 90er Jahren geriet das Programm in eine Krise. Die Kritik bezog sich auf die verkehrspolitische Sackgasse, die die Festlegung auf den Pkw bedeutet, aber auch auf öko-logische Folgen. Neuerdings werden aber verstärkt „flexfuel“-Autos auf dem Markt angeboten, die sowohl mit Benzin als auch mit Alkohol betrieben werden können. Eigentlich erscheint das PROÁLCOOL- Programm als ein Erfolg auf ganzer Linie: Positive wirtschaftliche Impulse für die heimische Industrie und Agrarwirtschaft, billiger Treibstoff für eine mobiler werdende Mittelschicht und all dies auf der Basis von Sonnenenergie, nutzbar gemacht mit Hilfe des Zuckerrohrs und seiner Photosyntheseleistung. Trotzdem sparte José Lutzenberger, die Leitfigur der brasilianischen Umweltbewegung, seinerzeit nicht mit ver-nichtender Kritik, nannte das PROÁLCOOL-Programm illusorisch, betrügerisch, unmoralisch, ja sogar verbrecherisch. PROÁLCOOL würde die Probleme, die es zu lösen vorgibt, nur noch verschlimmern. Dabei meinte er nicht nur die ökologische Dimension, sondern dachte auch an die ökonomischen und sozialen Auswirkungen. Wie kam er bereits zu Beginn der 80er Jahre, als sich das Programm in einem kräftigen Aufschwung befand, zu dieser ernüchternden Bewertung, mit der er grundsätzlich Recht behalten sollte? Um das PROÁLCOOL-Programm und seine Entwicklung von der Blütephase in den 80er Jahren bis zur Krise in den 90er Jahren besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf die Ursprünge des Programms und die damaligen Ziele: Die erste Ölkrise 1974 traf Brasilien, das damals rund 80 Prozent seines Rohöls importieren musste, besonders hart. Die damalige Militärregierung, die eine Doktrin der nationalen Autarkie verfolgte, sah ihre Energiever-sorgung und damit die Achillesferse ihrer ambitionierten nationalen Industrie- und Ent- wicklungspolitik gefährdet. Hinzu kam der politische Druck der damals einflussreichen Zuckerwirtschaft, die unter niedrigen Weltmarktpreisen litt. Diese Konstellation gab den Nährboden für das ehrgeizige PROÁLCOOL- Programm ab, das als Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft konzipiert war: Mittels massiver Eingriffe (Subventionen, billige Kredite, Steuerbefreiungen für Alkoholfahrzeuge, Preisfestsetzungen, Forschungsförderung) forcierte der Staat die Umstellung eines Großteils des Kfz-Verkehrs von Benzin oder Diesel auf Äthylalkohol. Zunächst wurde der Alkohol nur dem Benzin beigemischt; in einer zweiten Phase begann die Produktion von Fahrzeugen, die ausschließlich auf Alkoholbasis fuhren. Bemerkenswert ist, dass ökologische oder soziale Überlegungen bei der Konzeption des Programms kaum eine Rolle spielten. In der Tat sieht die soziale und ökologische Bilanz des PROÁLCOOL- Programms nicht positiv aus. Text-Quelle: www.ila-bonn.de
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