Siegfried
Trapp
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Deutschland. Und selbst mehr als ein Drittel aller Jugendlichen im Alter von 14 bis 29
Jahren geben offen zu, daß mittlerweile die Medieftflut „kaum mehr überschaubar" sei.
In den Zukunftsvorstellungen der Bevölkerung fehlt der Medienwelt von morgen der echte
Bezug zu den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen. Viele Bundesbürger haben das
Gefühl, daß die Industrie gar nicht wissen will, ob die Konsumenten das eigentlich alles
haben wollen. So sind mittlerweile rund 22 Millionen Bundesbürger der Überzeugung, daß
das Multi-Media-Angebot nicht angenommen und abgelehnt wird, weil die Bürger es
"gar nicht haben wollen". Diese ablehnende Haltung ist bei den Bewohnern außerhalb
der Großstädte und Ballungszentren besonders stark ausgeprägt.
Tele-Shopping, Bankgeschäfte und Reisebuchungen - alles soll vom Wohnzimmer aus
zeitsparend möglich sein. Doch die Konsumenten sind Realisten: Auch Medienkonsum
„kostet" Zeit. Jeder zehnte Bundesbürger (10 %) erhofft sich von den neuen Techno-
logien einen zusätzlichen Zeitgewinn. Doch mehr als doppelt so viele (22 %) sind davon
überzeugt: "Es fehlt einfach an Zeit, davon Gebrauch zu machen."
Die Medienwelt von morgen ist gespalten: Die Kriegs-und Nachkriegszeit hat zur
Ausprägung von zwei Technikgenerationen geführt. Die vor 1945 Geborenen (50 Jahre
und älter) wehren und sperren sich mehrheitlich gegen das neue Multi-Media-Angebot.
Wer hingegen „unter 50" ist, schätzt die Multi-Media-Möglichkeiten für die
Privatsphäre und das Freizeitverhalten deutlich positiver ein.
Generell aber gilt: Die Vorteile des künftigen Multi-Media-Zeitalters werden von der
Bevölkerung wohl gesehen, aber in ihrer Bedeutung relativ gering eingestuft. Verbreitet
ist die Hoffnung, daß dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die neuen
Technologien das Leben „angenehmer und leichtermachen" und das private Leben
„bereichert" wird. Nur wenige glauben, daß die private Nutzung der neuen Medien
auch berufliche Vorteile hat. Deutlich höher aber ist der Anteil der Bundesbürger,
die mit Trauer und ein wenig Wehmut vom Fernsehzeitalter Abschied nehmen und
„eher den alten ARD- und ZDF-Zeiten nachtrauern".
Hoffnungsvoll stimmt eigentlich nur, daß die junge Generation im Alter bis zu 34
Jahren die Multi-Media-Zukunft deutlich positiver sieht als die übrige Bevölk-
erung. Unverkennbar ist allerdings auch hier: Die Nachteile und Risiken der
Medienentwicklung werden schwerwiegender eingeschätzt als die Vorteile und
möglichen Chancen. Die Kluft zwischen Vision und Realität ist groß, weil sich die
Multi-Media-Industrie unerwartet mit einem Akzeptanzproblem des Konsumenten
konfrontiert sieht. In der Vision ist alles möglich. In der Technik ist vieles machbar.
Aber in Wirklichkeit geht es nur um zwei Fragen: Wo bleibt der Mensch? Und:
Was will der Konsument?
Auf dem Weg in das Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts stellt sich die
Frage, ob das, was wir technischen Fortschritt nennen, nicht viel zu schnell und viel zu
hektisch eingeführt wird, so daß die Konsumenten nur noch irritiert und fast
hilflos reagieren können. Die menschliche Lernfähigkeit wird vielfach überfordert
und die vorschnelle Übernahme neuer Technologien geht letztlich zu Lasten sozialer
Beziehungen. Mit anderen Worten: Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung
wurde bisher beklagenswert unvorbereitet mit den technologischen Neuerungen
konfrontiert. Der Club of Rome hat die heutige Krise im Umgang mit den neuen
Technologien schon in den siebziger Jahren vorausgesagt und ein „menschliches
Dilemma" prognostiziert (1979): Unsere eigenen Fähigkeiten hinken der Entwick-
lung hinterher. Wenn die Kluft zwischen technologischen Neuerungen und menschlicher
Kompetenz weiterhin zunimmt, können Schock- (und Flop-)wirkungen nicht ausbleiben.
Die Medienbranche kann sich in Zukunft nicht mehr damit zufriedengeben, daß der
Konsument sein TV-Gerät gerade noch ein- oder ausschalten kann. Das Leitbild 2010
muß der autarke User sein. An einem dummen Nutzer kann die Wirtschaft doch
kein Interesse haben. Und von Nintendo- oder Sega-Kids allein kann sie auch nicht leben.
Wir brauchen also ebenso kompetente wie kritische Konsumenten, die keine Angst vor
neuen Technologien haben. Wir sollten allerdings nicht solange warten, bis uns die
Amerikaner und Japaner ihre Lernprogramme aufzwingen. Unsere Medienkultur sollten
wir schon selber schaffen.
Außerhäusliche Freizeitszene
Das wirkliche Leben findet für die meisten Menschen noch immer außerhalb der
eigenen vier Wände statt - am Strand, an der Theke oder in der Sauna, in Kino, Disco oder
Fußballstadion. Und entgegen der Zukunftshoffnung der Medienbranche vertrauen die
Konsumenten mehr auf ihren alten Medienkonsum zwischen Gewohnheit,
Bequemlichkeit und gelegentlicher Interaktivität. Die größte Zukunftskonkurrenz für
die Fernsehanbieter wird nicht die Vervielfachung der TV-Stationen und -
Programme, sondern die wachsende Attraktivität der außerhäuslichen Freizeitszene
sein: Einkaufszentren werden zu Erlebnisinseln, Kinos zu Konsumpalästen und Urlaubs-
orte zu Erlebnisbühnen. In Zukunft wollen die Konsumenten das Paradies bereits auf
Erden erleben und genießen.
Für die Zukunft der westlichen Wohlstandsgesellschaften gilt ein neues
freizeitökonomisches Gesetz:
Der Erlebniskonsum wächst schneller als der Versorgungskonsum:
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Der Versorgungskonsum ist mit Lebensnotwendigem verbunden. Hier kauft man
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sich nur das, was zum Leben notwendig ist und man sich auch leisten kann.
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Beim Erlebniskonsum leistet man sich Dinge, die man nicht unbedingt zum
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Leben (oder gar Überleben) braucht, die das Leben aber angenehmer,
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schöner und erlebnisreicher machen.
Der Trend zum Erlebniskonsum ist auch eine Antwort auf Tendenzen zur
Gleichförmigkeit im Lebensstil: Weg vom Einheitstypus des Normalver-
brauchers - hin zur Vielfalt, zur Differenzierung, zur scheinbaren Einzigartigkeit
und Individualisierung. Während Musik und Mode, Wohn-und Eßkultur immer
internationaler und damit auch austauschbarer werden, wächst das Bedürfnis nach
Abgrenzung, die Suche nach der ganz persönlichen Nische. Ob McDonalds in Moskau
oder Benetton in Budapest - ein vom industrialisierten Freizeitkonsum geprägter
Lebensstil breitet sich explosionsartig auf der ganzen Welt aus. Konsumwellen kennen
keine Grenzen mehr. Das Bewußtsein setzt sich durch: Die nationale Identität droht
verlorenzugehen und auf der Streckteleibt das unverwechselbar Individuelle.
In Zukunft wird es also nicht „den" neuen Verbraucher geben - eher eine neue
Konsumentengeneration. die mehr-
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