Siegfried
Trapp
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zeiten und wenig Freizeit" nur am Rande. Die junge Generation sucht
eine Karriere jenseits von Prestige und Position.
Die meisten jungen Leute, die heute Karriere machen wollen, fragen zuerst
danach, wie sie ihre „eigenen beruflichen Vorstellungen verwirklichen können".
Sie fragen nach persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Beruf, nach mehr
Freiräumen für das eigene Gestalten und nach dem, was ihnen die Arbeit
persönlich bringt. Arbeitszeit ist für die neue Karrieregeneration Lebenszeit,
bei der die Sinnfrage nicht ausgeklammert werden darf. Ihre Schlüsselfrage
lautet nicht mehr: Kann ich viel verdienen?, sondern: Wie sieht mein Job aus?
Und für Frauen heißt berufliche Karriereplanung zunehmend auch persönliche
Lebensplanung. Frauen arbeiten in erster Linie für sich und ihre Erfolgs-
erlebnisse und messen ihre Erfolge deutlich weniger als Männer an Ein-
kommenshöhen, Aufstiegsstufen oder Führungspositionen. Sie wollen Karriere
erleben und nicht nur machen.
„Ich will mehr Zeit für mich" — diese Forderung gab es früher eigentlich nur bei
Frauen. In Zukunft werden auch die Männer sensibel und übernehmen weib-
liche Lebensziele. Das Privatleben soll seinen Inselcharakter verlieren. Die neue
Karrieregeneration wählt die Form der „sanften Karriere", will ebenso leistungs-
motiviert, zielstrebig und erfolgsorientiert sein, läßt sich aber nicht mehr nur
von „harten Prinzipien" wie Geld, Macht und Aufstiegsstreben leiten. Sie hat
Spaß an der Arbeit, Freude am Erfolg und Lust an der Verwirklichung eigener
beruflicher Vorstellungen.
Die italienischen Psychologen Fausto Massimini und Antonella delle Fave
(Massimini 1988/1991) interviewten unlängst italienische Bauern in den
hochgelegenen Bergtälern der Alpen, die von der industriellen Revolution
weitgehend verschont geblieben sind. In ihren Interviews kam zum Aus-
druck, daß die Bauern ihre Arbeit'nicht von ihrer Freizeit unterscheiden
konnten. Bei den Interviewern entstand ein doppelter Eindruck: Die Bauern
arbeiteten sechzehn Stunden am Tag oder sie arbeiteten überhaupt nicht. Sie
melkten Kühe, mähten Wiesen, erzählten ihren Enkeln Geschichten, spielten
Akkordeon für Freunde. Und auf die Frage, was sie denn gern tun würden,
wenn sie genügend Zeit und Geld hätten, kam die Antwort: Kühe melken.
Wiesen mähen, Geschichten erzählen, Akkordeon spielen ... Für ihr ganzes
Leben galt und gilt eigentlich nur ein Grundsatz: „Ich tue, was ich will."
Arbeit und Freizeit boten und bieten ständig und gleichermaßen Heraus-
forderungen dafür.
Hingegen erzeugen mehr Wohlstand und mehr Freizeit in der industriellen
Arbeitswelt bei den Arbeitnehmern zunehmend das Gefühl, daß ihnen im Arbeits-
leben etwas verlorengeht, daß Arbeitszeit zur verlorenen Lebenszeit wird:
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Die unteren Berufsgruppen vermissen in der Arbeit vor allem die
Abwechslung und klagen über den Mangel an echten Herausforderungen, die
einem Vergleich mit ihren Freizeithobbys standhalten können.
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Die höheren Berufsgruppen hingegen sind in ihrer Arbeit am meisten vom
„Burn-out"-Syndrom, dem Ausgebranntsein, bedroht: Zu viel Druck, zu viel
Streß und zu lange Arbeitszeiten lassen ihnen letztlich zu wenig Zeit für die
Familie, die Freunde, zu wenig Zeit für sich und die eigenen Freizeit-
interessen.
So haben letztlich beide, die "abhängig Beschäftigten" genauso wie die
„Leitenden", das Gefühl, daß ihnen die Arbeit „Leben von der Habenseite ihrer
Existenz abzieht" (Csikszentmihalyi 1992, S. 212). In beiden Fällen scheint das
subjektive Freizeiterleben zum Auslöser für Arbeitsunzufriedenheit zu werden:
Die einen vermissen den Herausforderungscharakter, den sie von ihrer Freizeit
kennen, auch an ihrem Arbeitsplatz, die anderen fühlen sich von der Arbeit so
vereinnahmt, daß ihnen nicht genügend Zeit zum Leben bleibt.
Bei der Entscheidung, aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln,
hat der Freizeitwert einer Stadt oder Region das größte Gewicht. Nicht mehr die
Chance zu beruflichem Aufstieg oder die Aussicht auf ein höheres Einkommen
motivieren die Arbeitnehmer am meisten zu beruflicher Mobilität, sondern der
Freizeitwert und die touristische Attraktivität eines Standortes. Neben dem
Lohn-und Wohnwert eines Standortes entwickelt sich der Freizeitwert zum
größten Anreiz für die berufliche Mobilität von Arbeitnehmern. Zum Freizeitwert
einer Stadt oder Region gehören Ausflugs- und Naherholungsgebiete.
Stadtparks und Grünanlagen, Fußgängerzonen, Einkaufszentren und Laden-
passagen, Restaurants, Cafes und Kneipen.
Freiberufler legen besonderen Wert auf bequem erreichbare Ausflugs- und
Naherholungsgebiete. Leitende Angestellte wollen in ihrer knapp bemessenen
freien Zeit auf ein vielseitiges Kulturangebot nicht verzichten. Für Angestellte
und Beamte sind Einkaufszentren und -passagen sowie Restaurants und Cafes
besonders attraktiv. Und für Arbeiter haben Stadtparks und Freizeitbäder eine
besondere Bedeutung. Eine Region muß heute viel Freizeitattraktiväten bieten,
um Arbeitnehmer halten oder neue gewinnen zu können.
Die touristische Attraktivität von München, der Cöte d'Azur und dem
sonnigen Kalifornien haben den Beweis erbracht: Arbeitnehmer lockt immer
mehr die Sonnenseite des Lebens. Sie wollen dort arbeiten und wohnen, wo
andere Urlaub machen. Ins Bild gesetzt: Der Golfplatz vor der Haustür, das
Segelrevier um die Ecke - und während der Mittagspause auch einmal baden
gehen. Wo man gern leben will, will man auch gern arbeiten.
Der Karrierebegriff bleibt in Zukunft nicht mehr allein auf den
beruflichen Bereich beschränkt - er bekommt Konkurrenz vom Freizeitbereich.
Ein vielfältiges Profilierungsfeld für individualistische Karrieren. Schon
spricht man in der neueren Sozialforschung (vgl. Eckert/Drieseberg/
Willems 1990) von der „Sinnwelt Freizeit" und von „Freizeitkarrieren".
Insbesondere in der jüngeren Generation entwickeln sich zunehmend
neue „Qualifikationsprofile" für Freizeitkarrieren als Musiker,
Sportler, Heimwerker, Globetrotter oder Computerfreak, die fast
professionelle Ansprüche erfüllen und Hobby- und Berufsinteressen
miteinander verbinden".
Die neuen Freizeitprofis finden genausoviele attraktive Profilierungs-
möglichkeiten vor wie die Karrieristen im Beruf: Aufnahmerituale,
Leistungsanforderungen. Konkurrenzsituationen, Selbstdarstellungen,
Erfolgserlebnisse und Aufstiegsmöglichkeiten in der Clique, im Club oder
im Verein. Lediglich die gesellschaftliche Anerkennung blieb vielen bisher
noch versagt. Doch zeichnet sich für die Zukunft ab, daß „Aufsteiger" und
„Workaholiker" mit ihrem Bekenntnis „Ich arbeite viel für meine Karriere"
um ihr Prestige bangen müssen angesichts des steigenden Kurswertes
außerberuflicher Karrieristen wie „Ich bin Surfer, Golfer oder Tiefseetaucher".
Wir leben im Vollkasko-Wohlstandsland: Alle wesentlichen Risiken des
Lebens sind heute durch Gesetz und
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