"Und jedem Anfang wohnt
ein Zauber inne."
* Zum Glück habe ich Euch
beide in der Vorbereitung der
heutigen Hochzeit gut genug
kennen gelernt, um mir sicher
zu sein, dass Ihr tatsächlich
heiraten wollt. Das
Eheversprechen, das Ihr heute
vor Gott und uns, als der
gegenwärtigen Kirche, ablegen
wollt, da bin ich mir sicher, ist
ernst gemeint. Allerdings habt
Ihr den Zweifel an der
Ernsthaftigkeit selbst gesät.
Denn das Motto der Feier, das
Ihr vorne auf das Liedheft
geschrieben habt, ließe das
Gegenteil erwarten: "Und jedem
Anfang wohnt ein Zauber inne."
* Die Zeile stammt aus einem
Gedicht von Hermann Hesse
(wie ich erst vorgestern
festgestellt habe). In diesem
Gedicht verherrlicht Hesse das
Gegenprogramm zur Ehe.
Selbst war er ja auch gleich drei Mal verheiratet. Da hat das gut in das Gedicht
gepasst: "Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, / An keinem wie an
einer Heimat hängen, / Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, / Er will
uns Stuf um Stufe heben, weiten." So weit Hesse. Ich aber meine: Traut nicht
dem Weltgeist. Traut Euch, traut Eurer Liebe, die gegründet sein darf in der Treue
der Liebe Gottes.
* In der Tat, wenn Ihr heute heiratet, dann ist das Euer ganz eigener Protest
gegen den Weltgeist. Dieser suggeriert uns, wir würden nur dann glücklich, wenn
wir alles ausprobiert haben, alle Optionen offen lassen, uns immer neu selbst
verwirklichen. Die Opfer dieses Weltgeistes sind ungezählt, mag er mit seinen
Zaubern auch noch so verführen. Ihr könnt Euch wappnen vor der irrigen
Versuchung, immer wieder vor sich selbst davon zu laufen, statt mit einander das
Wagnis einzugehen, das eine Leben für unendlich wertvoll zu erachten und in
Treue mit einander an den Herausforderungen zu wachsen, die diese Treue
bedeutet.
Text-Quelle: www.martin-loewenstein.de/predigte
Siegfried
Trapp
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