© strapp 2010
Diario de un motociclista/6  Santa Cruz de la Sierra, 17. Mai 2006, Tag 19   Der Bericht brach ab in "San Ignacio", Tag 15  Am nächsten Tag musste ich leider weitere Ölverluste am Motorrad zur Kenntnis nehmen, diesmal am Zylinder. Weiter zum Ort San Miguel: Missionskirche. Dann San Rafael: Missionskirche; die sechste. Falls eine geschlossen ist, findet sich ein Kirchendiener, der sie für eine kleine Spende (für Kerzen und für ihn) gerne öffnet. Der grundsätzliche Aufbau aller Kirchen der Jesuitenmissionen in der Chiquitania ist ja immer derselbe, aber in den Details, vor allem in der Innenausschmückung, finden sich doch sehr interessante Unterschiede. Das gilt auch für die siebte in meiner Reihe, in San José de Chiquitos, die, im Kolonialstil aus Stein erbaut, in warmen Farben im Abendlicht leuchtete. In San José war es endlich wärmer. Noch in der Dunkelheit versuchte ich Motorradreparateure zu finden, aber der eine der, man verzeihe mir den Ausdruck,  Hühnerhofmechaniker war nicht da, der andere am Arbeitsplatz betrunken. Immerhin war ja Samstagabend. Der Betrunkene bot zwar an, am Sonntag zu arbeiten, allein er machte einfach nicht den Eindruck auf mich, den ich mir für die kompliziertere Reparatur am Zylinder gewünscht hätte. So nahm ich am Sonntag die Fahrt Richtung Santa Cruz in Angriff, über Pozo del Tigre. Die Landschaft ist zunächst pantanalartig, mit teils stahlblauen, teils algengrünen Teichen, die Fahrbahn hügelig, kurvig, aus rotbrauner Erde. Völlig einsam, ohne jedes Pueblo, ohne Verkehr. Danach geht es viele Kilometer geradeaus, langweilig chacoartig mit Buschvegetation. In der Gegend von Tres Cruces breitet sich plötzlich eine gepflegte Kulturlandschaft zu beiden Seiten der Strasse aus, mit regelmäßig angelegten Feldern, ausgerichteten Ährenbündeln, Baumalleen. Pferdekutschen mit Kindern in sonntäglichen Trachten, Frauen in langen Kleidern und mit Hüten, Männer uniformiert in blauen Latzhosen und blauen Schildmützen, an die USA der 30er Jahre erinnernd: Mennonitenkolonien.   Zwischen Tres Cruces und Pailón wird die Strasse katastrophal. Bis zu 80 cm tiefe Schlaglöcher wechseln ab mit für das Motorrad noch weit schlimmeren kilometerlangen Abschnitten von 20 - 30 cm hohem feinsten Staub, auf dem das Zweirad schwimmt. Auch die (sehr wenigen) Vierräder fahren Schritttempo. Wie das ist, einen Lastwagen in den lichtundurchlässigen und erstickenden Staubwolken zu überholen, mag sich jeder selbst vorstellen. Die Streckenlänge San José - Santa Cruz beträgt auch nicht, wie im Reiseführer angegeben 255 km, sondern etwa 310 km. Übrigens nicht auszudenken, wie die Piste nach einem Regen aussieht. In jedem Fall unpassierbar. Ab Pailón beginnt der Asphalt und damit sofort relativ starker, schnellfahrender Verkehr. Die Nacht bricht herein, als ich Santa Cruz erreiche, ich finde zunächst kein Hotel, und übermüdet (und wie fast immer ohne Essen seit dem Frühstück) nehme ich die erste Absteige, die ich finde. Ein schwerer Fehler. Ich bin an der Ecke Av. Irala/Av. Añoto, eine der übelsten Gegenden von Santa Cruz de la Sierra gelandet. Menschen schlafen neben Hähnchenbratereien mitten auf der Strasse, ohrenbetäubende Musik schallt aus allen Löchern. Mein Zimmer für 40 Bolivianos (etwa 4 €) liegt über einer Ballerspielautomatenhölle. Um etwa 11 Uhr nachts (wohlgemerkt, wir haben Sonntag) beginnt in dem drei Meter unter meiner Zimmerfenster liegenden Innenhof, der vielleicht 20 qm groß sein mag und der auf allen vier Seiten von Gebäuden umgeben ist, eine Kapelle aus Blechbläsern und Paukenschlägern ein etwa zweistündiges Geburtstags- ständchen. Danach gibt es Merenguegedudel in voller Lautstärke, gelegentlich noch von Geschrei übertönt. Selbstgefertigte Ohrstöpsel aus Klopapier werden von dem Lärm spielend leicht durchdrungen. Zwischen 4 und 5:30 Uhr morgens trommelt eine Frau gewalttätig und hartnäckig gegen die Absteigetüren in meinem Stockwerk und sucht schrill und verzweifelt eine(n) Maní, die/der nicht antwortet. Gegen 6 Uhr setze ich meine Kopfhörer mit eigener Musik auf, da die Hoffnung geschwunden war, dass das Fest irgendwann ein Ende wegen Übermüdung findet. Als ich morgens um 9 Uhr das Hotel verlasse, ist das Fest im Innenhof unverändert im Gang. Da sich Lebenswille und Lebensfreude zu einem Gutteil aus überstandenen Schwierigkeiten rekrutieren, wechselte ich schwungvoll (soweit dies die Übermüdung zuließ) das Hotel und zog ins Zentrum, wo ich jetzt eine fast paradiesische Ruhe habe. Was war das für eine Nacht, was für eine Umgebung für Kinder und Jugendliche, eine Umgebung  von Krachberieselung, Schmutz, Stumpfsinn, Unvermögen und Ohnmacht. Die Stadt Santa Cruz bietet nicht viel Schönes, verströmt auch einen wesentlich kriminelleren Charakter als La Paz, wirkt wie eine primitive Hure. Da die Kupplungshand und die Schultern von den Anstrengungen der Piste schmerzen und die Folgen des Sturzes auch noch nach 18 Tagen spürbar sind (und nebenbei gesagt bei der weiteren Planung der Reise kein Fernseher mit der Übertragung des bevorstehenden Championleague-Finales in Reichweite sein dürfte), beschließe ich nach zwei Erdinger Kristallweizen im "Reineke Fuchs" drei Ruhetage in Santa Cruz de la Sierra einzulegen.  Der gestrige Tag: Fußmärsche durch Santa Cruz, Abstecher zur Deutschen Schule und in den "Parque Zoologico". Letzterer ist nach Eigenwerbung einer der schönsten in ganz Südamerika. Das kann ich so nicht bestätigen. Eher etwas verwahrlost. Am interessantensten ist, dass einige Tiere (Jochis, Faultier, Schwarzaffen) aus den Käfigen entkommen sind und frei im Zoo vagabundieren. So kommt man zu natürlich aussehenden Fotos. Schön dagegen ist eine große begehbare Vogelvoliere. Abendessen im italienischen Restaurant "Michelangelo", für das die Auskunft des "South American Handbook" absolut zutrifft: Not cheap, but very good. Dort leistet mir der Exilschwede Frederik Lindstroem ("Federico Lindo") Gesellschaft, den ich auf seiner Finca in Nicaragua kennen gelernt hatte (zusammen mit seiner Frau, Schwester der ehemaligen Miss Nicaragua, und ebenfalls sehr hübsch, bei der Costa Rica- Reise mit der Familie Krauss), den ich jetzt zufällig im "Michelangelo" traf.
Die Motor- radreise 2006 In der Pepsiflasche: Das obligatorische Motoröl Der Griff der Gliedmaßen und hakenförmigen Krallen ist so fest, dass die Tiere sogar nach ihrem Tod eine Weile im Geäst hängen bleiben können.
Siegfried Trapp
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Diario de un motociclista/6   Santa Cruz de la Sierra, 17. Mai 2006, Tag 19   Der Bericht brach ab in "San Ignacio", Tag 15  Am nächsten Tag musste ich leider weitere Ölverluste am Motorrad zur Kenntnis nehmen, diesmal am Zylinder. Weiter zum Ort San Miguel: Missionskirche. Dann San Rafael: Missionskirche; die sechste. Falls eine geschlossen ist, findet sich ein Kirchendiener, der sie für eine kleine Spende (für Kerzen und für ihn) gerne öffnet. Der grundsätzliche Aufbau aller Kirchen der Jesuitenmissionen in der Chiquitania ist ja immer derselbe, aber in den Details, vor allem in der Innenausschmückung, finden sich doch sehr interessante Unterschiede. Das gilt auch für die siebte in meiner Reihe, in San José de Chiquitos, die, im Kolonialstil aus Stein erbaut, in warmen Farben im Abendlicht leuchtete. In San José war es endlich wärmer. Noch in der Dunkelheit versuchte ich Motorradreparateure zu finden, aber der eine der, man verzeihe mir den Ausdruck,  Hühnerhofmechaniker war nicht da, der andere am Arbeitsplatz betrunken. Immerhin war ja Samstagabend. Der Betrunkene bot zwar an, am Sonntag zu arbeiten, allein er machte einfach nicht den Eindruck auf mich, den ich mir für die kompliziertere Reparatur am Zylinder gewünscht hätte. So nahm ich am Sonntag die Fahrt Richtung Santa Cruz in Angriff, über Pozo del Tigre. Die Landschaft ist zunächst pantanalartig, mit teils stahlblauen, teils algengrünen Teichen, die Fahrbahn hügelig, kurvig, aus rotbrauner Erde. Völlig einsam, ohne jedes Pueblo, ohne Verkehr. Danach geht es viele Kilometer geradeaus, langweilig chacoartig mit Buschvegetation. In der Gegend von Tres Cruces breitet sich plötzlich eine gepflegte Kulturlandschaft zu beiden Seiten der Strasse aus, mit regelmäßig angelegten Feldern, ausgerichteten Ährenbündeln, Baumalleen. Pferdekutschen mit Kindern in sonntäglichen Trachten, Frauen in langen Kleidern und mit Hüten, Männer uniformiert in blauen Latzhosen und blauen Schildmützen, an die USA der 30er Jahre erinnernd: Mennonitenkolonien.   Zwischen Tres Cruces und Pailón wird die Strasse katastrophal. Bis zu 80 cm tiefe Schlaglöcher wechseln ab mit für das Motorrad noch weit schlimmeren kilometerlangen Abschnitten von 20 - 30 cm hohem feinsten Staub, auf dem das Zweirad schwimmt. Auch die (sehr wenigen) Vierräder fahren Schritttempo. Wie das ist, einen Lastwagen in den lichtundurchlässigen und erstickenden Staubwolken zu überholen, mag sich jeder selbst vorstellen. Die Streckenlänge San José - Santa Cruz  beträgt auch nicht, wie im Reiseführer angegeben 255 km, sondern etwa 310 km. Übrigens nicht auszudenken, wie die Piste nach einem Regen aussieht. In jedem Fall unpassierbar. Ab Pailón beginnt der Asphalt und damit sofort relativ starker, schnellfahrender Verkehr. Die Nacht bricht herein, als ich Santa Cruz  erreiche, ich finde zunächst kein Hotel, und übermüdet (und wie fast immer ohne Essen seit dem Frühstück) nehme ich die erste Absteige, die ich finde. Ein schwerer Fehler. Ich bin an der Ecke Av. Irala/Av. Añoto, eine der übelsten Gegenden von Santa Cruz de la Sierra gelandet. Menschen schlafen neben Hähnchenbratereien mitten auf der Strasse, ohrenbetäubende Musik schallt aus allen Löchern. Mein Zimmer für 40 Bolivianos (etwa 4 €) liegt über einer Ballerspielautomatenhölle. Um etwa 11 Uhr nachts (wohlgemerkt, wir haben Sonntag) beginnt in dem drei Meter unter meiner Zimmerfenster liegenden Innenhof, der vielleicht 20 qm groß sein mag und der auf allen vier Seiten von Gebäuden umgeben ist, eine Kapelle aus Blechbläsern und Paukenschlägern ein etwa zweistündiges Geburtstags-ständchen. Danach gibt es Merenguegedudel in voller Lautstärke, gelegentlich noch von Geschrei übertönt. Selbstgefertigte Ohrstöpsel aus Klopapier werden von dem Lärm spielend leicht durchdrungen. Zwischen 4 und 5:30 Uhr morgens trommelt eine Frau gewalttätig und hartnäckig gegen die Absteigetüren in meinem Stockwerk und sucht schrill und verzweifelt eine(n) Maní, die/der nicht antwortet. Gegen 6 Uhr setze ich meine Kopfhörer mit eigener Musik auf, da die Hoffnung geschwunden war, dass das Fest irgendwann ein Ende wegen Übermüdung findet. Als ich morgens um 9 Uhr das Hotel verlasse, ist das Fest im Innenhof unverändert im Gang. Da sich Lebenswille und Lebensfreude zu einem Gutteil aus überstandenen Schwierigkeiten rekrutieren, wechselte ich schwungvoll (soweit dies die Übermüdung zuließ) das Hotel und zog ins Zentrum, wo ich jetzt eine fast paradiesische Ruhe habe. Was war das für eine Nacht, was für eine Umgebung für Kinder und Jugendliche, eine Umgebung  von Krachberieselung, Schmutz, Stumpfsinn, Unvermögen und Ohnmacht. Die Stadt Santa Cruz bietet nicht viel Schönes, verströmt auch einen wesentlich kriminelleren Charakter als La Paz, wirkt wie eine primitive Hure. Da die Kupplungshand und die Schultern von den Anstrengungen der Piste schmerzen und die Folgen des Sturzes auch noch nach 18 Tagen spürbar sind (und nebenbei gesagt bei der weiteren Planung der Reise kein Fernseher mit der Übertragung des bevorstehenden Championleague- Finales in Reichweite sein dürfte), beschließe ich nach zwei Erdinger Kristallweizen im "Reineke Fuchs" drei Ruhetage in Santa Cruz de la Sierra einzulegen.  Der gestrige Tag: Fußmärsche durch Santa Cruz, Abstecher zur Deutschen Schule und in den "Parque Zoologico". Letzterer ist nach Eigenwerbung einer der schönsten in ganz Südamerika. Das kann ich so nicht bestätigen. Eher etwas verwahrlost. Am interessantensten ist, dass einige Tiere (Jochis, Faultier, Schwarzaffen) aus den Käfigen entkommen sind und frei im Zoo vagabundieren. So kommt man zu natürlich aussehenden Fotos. Schön dagegen ist eine große begehbare Vogelvoliere. Abendessen im italienischen Restaurant "Michelangelo", für das die Auskunft des "South American Handbook" absolut zutrifft: Not cheap, but very good. Dort leistet mir der Exilschwede Frederik Lindstroem ("Federico Lindo") Gesellschaft, den ich auf seiner Finca in Nicaragua kennen gelernt hatte (zusammen mit seiner Frau, Schwester der ehemaligen Miss Nicaragua, und ebenfalls sehr hübsch, bei der Costa Rica- Reise mit der Familie Krauss), den ich jetzt zufällig im "Michelangelo" traf.
Die Motor- radreise 2006 In der Pepsiflasche: Das obligatorische Motoröl Der Griff der Gliedmaßen und hakenförmigen Krallen ist so fest, dass die Tiere sogar nach ihrem Tod eine Weile im Geäst hängen bleiben können.
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