Am Pool der „La Pradera“, Montag, 24.12.1984, 10:30
Glücklicherweise ist der Himmel ziemlich bedeckt: Der gestrige Strandaufenthalt zog
Verbrennungen nach sich.
Zurück zur Schilderung der Tungurahua-Besteigung. Der Aufstiegsteil am ersten Tag
bewältigte einen Höhenunterschied von 900 Metern. Eigentlich nicht so viel, es schlauchte
dennoch. Ich ging als Letzter, als „Schlepper“, und musste meinen Rhythmus den
langsameren anpassen, und der Maler Re. legte sehr oft Kurzpausen ein. Der Weg zog sich in
endlosen Serpentinen hin, in üppiger Vegetation ohne Sicht, wir wussten oder vermuteten,
dass die Schutzhütte an der Baumgrenze lag, und sie wollte und wollte nicht auftauchen. Tat
es dann doch, belegt von einer siebenköpfigen ecuadorianisch-nordamerikanischen Gruppe.
Ziemlich früh legten wir uns nieder, die noch folgenden, den geschlechtlichen Teil des Lebens
betreffenden Witze Su.s gefielen Frau Uh. und bereiteten mir, im Unterschied zu der Gruppe
der anderen Nationalitäten, die Ihre Ruhe beeinträchtigt sahen, keine Einschlafschwierigkeiten
trotz vergessener Isoliermatte.
3:30 war die ganze Hütte wach und begann die Vorkehrungen für den Aufstieg zu treffen. Ich
hatte den Rucksack am Vorabend nicht gepackt und musste infolgedessen auf Frühstück und
Bereitung eines warmen Tees für die Thermoskanne verzichten.
13:00
Mit der Familie Fe. war ich kurz in Esmeraldas, die dorthin gefahren war, weil es heute Benzin
zu kaufen gibt; mein Grund mitzufahren war das Telefonieren dort, da das Hotel hier
angeblich keine eigene Telefonverbindung hat. Meine Eltern, die sicherlich mit So. und Ro.
beim traditionellen Heiligabendessen saßen, erreichte ich jedoch nicht; der Telefonapparat der
Absteige „Las Peñas“ knackte, krachte und zischte dergestalt, dass nicht mal eine akzeptable
Verbindung mit dem Fernamt zustande kam. Schade.
Zurück auf den Tungurahua. Im Schein der Taschenlampen begann der Aufstieg um vier Uhr
morgens. Nach einer Viertelstunde Weg bemerkte ich, dass ich in der Aufbruchshektik meine
Kamera in der Schutzhütte vergessen hatte. Bei einer Kurzrast entschied ich mich dafür,
zurückzugehen und sie zu holen.
Beim Versuch, die weitergestiegene Gruppe einzuholen, deren Taschenlampen weit über mir
aufblitzten, übernahm ich mich etwas; es war nicht in einem Durchmarsch möglich. Bei
Tagesanbruch erreichte ich den letzten der Gruppe, den schon etwas zurück liegenden R. Ba.,
und versuchte auch für ihn den Schlepper zu spielen. Nach einem großartigen
Sonnenaufgang, bei dem die Wolkendecke von unten angestrahlt wurde und unter anderen
Bergen der Chimborazo in seiner Mächtigkeit zu sehen war,
verließ ich ihn, da die Sicht ausreichend war, und schloss zu
der nächsten Gruppe Ru. - Br. - Br. - De. auf. Während
dieses Abschnitts war der Aufstieg am beschwerlichsten:
Loser Vulkanschutt an Steilstellen zehrte an den Kräften.
Meiner Ansicht nach hätte man zwei Vierertrupps, durch
Seile verbunden, bilden müssen. Bei einem Abrutschen
eines Teilnehmers oder einer sonstigen ernsthaften Verletzung wäre Hilfe nicht vor 10 bis 12
Stunden vor Ort gewesen.
Noch vor Erreichen des Gebietes mit ewigem Schnee jagten Nebelfetzen um den Berg und
hüllten uns schließlich vollständig ein. Der Sichtkontakt zu R. Ba. war abgerissen. Ich fühlte
mich nicht wohl dabei, ich wartete einige Zeit, er aber tauchte nicht auf und ich stieg allein
weiter.
14:00
Ein ölgetränkter Reis mit Muscheln hatte meine Ausführungen unterbrochen; für den weiteren
Schreibfluss scheint mir eine weitere Cerveza unabdinglich. Sie ist bereits im Anmarsch, ein
für hiesige Verhältnisse sehr flottes Tempo.
Auf dem Gipfel, auf 5016m, nach an diesem Tag zurückgelegten 1400 Höhenmetern, machte
sich Euphorie breit, und für kurze Minuten riss sogar die Wolkendecke auf. Nach weniger als
einer halben Stunde Aufenthalt, zu wenig für meinen Geschmack, traten wir den Rückweg an;
dort trafen wir nach kurzer Zeit auf R. B., der es doch noch geschafft hatte. Wir warteten am
Krater bis zu seiner Rückkehr vom Gipfel. Wasserdampf und Schwefel stiegen aus den
Kraterspalten.
Der Abstieg vollzog sich sehr rasch. Es machte mir großen Spaß, mit zum Teil erheblichem
Tempo die Aschehänge abzufahren, unten brannten dann jedoch die Fußsohlen bereits fast
unerträglich. Frau Uh. und Herr Re., die in der Hütte zurückgeblieben waren, hatten eine
Suppe bereitet. Als ich mich setzte, dampfte meine zweite Hose, die ich unter der
Thermohose getragen hatte, in sichtbaren Wölkchen entwich Wasserdampf, innerhalb einiger
Minuten war sie am Oberschenkel trocken. Der zweite Teilabstieg missfiel mir: Die Sohlen
brannten und die Zehen schmerzten, und der Weg zog sich wieder endlos hin. Da ich mich zu
weit links vermutete, ging ich in die falsche Richtung, bis mir jemand zurief, dass der Weg
rechts verläuft. Auf dem Hintern rutschend kürzte ich durch ein Gebüsch ab, mein Rucksack,
über einen Weidestacheldraht geworfen, rollte in der falschen Richtung den Abhang hinunter.
Da waren Geduld und Selbstbeherrschung am Dollpunkt angelangt: Die unerträglich heißen
Fußsohlen hatten den Weg dafür geebnet. 2,4 km Höhenunterschied an einem Morgen in
neuen Schuhen hatten, ich fühlte nach, zu erstaunlichen Sohlentemperaturen geführt.
Dennoch: Bei praktisch allen Begeisterung über die eigene und der Gruppe Leistung. Sie
machte in einem Haciendarestaurant in Rumipampa, während des Draußensitzens einen
Sturzregen unerheblich und noch einige Cervezas möglich.
Siegfried
Trapp
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