Donnerstag, 20.12.1984, 18:00
Überall sprießen Stahlbetongerippe aus dem Boden, Stockwerk um Stockwerk, quadratisch.
Der Himmel ist nur noch durch ein paar Löcher zu sehen: Dort, und noch.
Atacames, Hosteria „La Pradera“, Sonntag, 23.12.1984, 8:30
Ein Tag vor Heiligabend, halb neun morgens. Es ist schon nahezu unerträglich heiß, die
Sonne brennt auf meine schwarze Hose, ein gleißendes Licht, und es stinkt nach
Katzenscheiße.
Am Strand, 15:00
Ein nahezu menschenleerer Strand des Pazifiks. Ein Palmenfeld dahinter, ich liege unter mit
zahlreichen Kokosnüssen beladenen Palmen. Eine Bretterhütte inmitten dieser Palmen, ein
junger Schwarzer mit zerrissenem rotem Hemd. Er verkauft uns die Kokosnüsse, er schlägt
sie auf. Eine Brise hält die Palmwedel in Bewegung: Ein ständiges Rascheln. Pelikane und
Fregattvögel ziehen über uns hinweg.
Das Leben ist hier nach wie vor reich an Ereignissen. Das, was ich am meisten vermisse, ist
mir nach wie vor nicht beschert: Eine Frau zu ficken, besser noch, mit einem Mädchen zu
schlafen, noch besser, in jemanden verliebt zu sein.
Aber ich habe in diesem Land Dinge erlebt, die ich sonst kaum erlebt hätte.
Die Fahrt nach San Lorenzo: Der vom Zug stürzende Neger bei der Abfahrt in Ibarra, wobei
statt Zug Schienenbus zutreffender ist,
die Querschläge dieser
Schmalspurbahn, die Abgründe, die
schmale Schneise durch den tropischen
Regenwald, die zum Fenster
hereinschlagenden Zweige. Armselige
Bretterhütten mitten im Busch, fast
ausschließlich die schwarze Hautfarbe.
Auf dem Dach eines Lastwagens zum
„Hotel“, auch dieses eine Bretterbude
auf Stelzen, am Rande der Mangroven;
zum Duschen muss man in einen
großen Blechkübel steigen. Ru. und
Tochter und Frau He. und Tochter und
ich in dem Siebenbettraum. Bei der
Marimba, mit Tänzen, war ich schon
steinmüde. Ich hätte gern mehr vom
Nachtleben auf San Lorenzos Lehmstraßen
miterlebt.
Die Fahrt im Kanu, früh am nächsten Morgen, erbrachte wenig Neues von den
Mangrovenwäldern; es regnete. Dann zur Rückfahrt wieder auf den Schienenstrang, auf
einer Nebenstrecke. Der Bahnhof in San Lorenzo wurde einfach umfahren; der Zug war von
der Humboldtgesellschaft exklusiv gebucht worden, und es sollte vermieden werden, dass
noch andere Passagiere zusteigen. Nach etwa 20 Kilometern kam jedoch das abrupte Ende:
Ein „derrumbe“, ein Erdrutsch hatte die Gleise vollständig begraben. Zurück nach San
Lorenzo. Da es von dort keine Straßenverbindung mit der Außenwelt gab, wurden zwei
Boote angemietet; so gelangten wir auf dem Seeweg nach La
Tola, einem armseligen düsteren dreckigen Fischerort.
Sonntagnachmittag. Schwüle; betrunkene Männer. Als
Mittagsmahl kaufe ich mir eine Dose Thunfisch in Öl, der
Schweizer An. tut es mir nach. Ein chromblitzender bunter Bus
steht inmitten dieser Öde und bringt uns nach Esmeraldas.
Dias San Lorenzofahrt
Als wir ankommen, ist die Nacht hereingebrochen. Hektik und
Nervosität beherrschen die Reisegruppe. Nach zwei Stunden
ist ein Bus beschafft, um 4:30 morgens sind wir wieder in Quito. Es war Montag, Arbeitstag.
Die zweite herausragende Wochenendtour war die Besteigung des Tungurahua. Der Tag
davor war angefüllt mit fieberhaftem Besorgen der Ausrüstung; fast hätte ich am späten
Abend noch Ju.s BMW geschrottet. Die teils erworbene, teils geliehene Ausrüstung erwies
sich in der Folge als sehr wertvoll, die neuen Bergschuhe bereiteten weniger Schwierigkeiten
als erwartet, die alubeschichtete Überhose, die daunengefütterten Handschuhe und die
Seidenmütze fürs Gesicht hielten die Kälte ab.
Der erste Teilaufstieg begann am Samstag um die Mittagszeit, auf 2600m Höhe. Die erste
Hälfte des Tages hatten die Anfahrt und die Beschaffung dreier Mulis für das Gepäck der
zehnköpfigen Gruppe beansprucht. Ich trug als einziger mein Gepäck den ganzen Weg bis
zur Schutzhütte allein.
17:00
Gabriel Garcia Márquez, „Hundert Jahre Einsamkeit“: Endlich in eine Falle der Sehnsucht
geraten, dachte er wirr, dass, hätte er geheiratet, er dann ein Mann ohne Krieg und Ruhm
geworden wäre, ein namenloser Handwerker, ein glückliches Tier.
Siegfried
Trapp
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