15:30
Zurück vom Begräbnis der Denise D., die vor ein paar Jahren in meiner Abitursklasse war und
jetzt bei der Entbindung ihres Kindes gestorben ist. Die Todesursache kommt mit einer
Wahrscheinlichkeit von 1:50 000 vor, sagte mir ihr Vater.
Neben der Fahrt zu den Waorani war die in das Cuyabeno-Reservat, damals noch nicht
Erdölgebiet, einzigartig an Schönheit und Abenteuer. Bei den Waorani waren es die Menschen
des Regenwaldes, in Cuyabeno war es der Regenwald selbst, der mit Flora und Fauna im
Vordergrund stand. Besonders intensiv war es auch dadurch, dass wir nur zu zweit unterwegs
waren. Ich füge den Reisebericht bei, so wie er, von verfasst von Ch.E., im damaligen
Monatsblatt der Humboldt-Gesellschaft erschienen war.
Datum: l. April 1988 - 7. April 1988
Teilnehmer: Siegfried Trapp, Charly Egloff
Freitag: 1.4. Nachdem für die Flüge nach Lago Agrio keine Vorreservatıon
möglich ist, und eine enorme Nachfrage besteht, haben wir uns am Vorabend mit
Herrn Marco Pinto in Verbindung gesetzt. Er ist der Mann, welcher gegen
entsprechendes Entgelt Unmögliches möglich macht.
Er erwartete uns also um punkt 7.00 Uhr auf dem Flughafen. Er besorgt uns 2
Tickets Quito - Lagio Agrio retour und checkt uns und unser Gepäck sofort ein.
Darauf setzen wir uns zum Frühstück ins Flughafen-kaffee. Mit einer Stunde
Verspätung fliegt die TAME um 10.15 bis auf den letzten Platz ausgebucht los.
Mit an Bord sind viele Touristen von Metropolitan-Touring, welche eine Flotel
- Reise gebucht haben.
Sie werden am Flughafen in Lago Agrio abgeholt. Nicht aber wir. Es war wider
erwarten kein Taxi dort. Also zottelten wir zu Fuß los. Schon nach wenigen
Metern hält ein Kleinlaster an und nimmt uns ins ca. 3 Km entfernte
"Drecksnest" Lago Agrio mit. Das einzig bewohnbare Hotel ist das Cofan, sauber
aber reichlich primitiv. Dort nisteten wir uns ein und machten einen kleinen
"Stadtrundgang". Wir kauften noch etwas Früchte, Wasser, Schnüre und
kolumbianischen Rum ein.
Im ganzen Dorf gab es nur "Fanesca" die für die Ostertage typische Gemüsesuppe
Ecuadors, welche mit einem stinkenden Fisch (Bacalao)"gewürzt" ist. Es war
eben Karfreitag. Nachdem wir den Nachmittag schlecht und recht totgeschlagen
hatten, kosteten wir abends im Essraum des Hotels bereits von unserer Salami.
Wir gingen früh ins Bett.
Samstag 2.4. 6.00 Uhr Tagwache, Dusche und um 6.30 Uhr Frühstück im Hotel
Cofan. Um punkt 7.00 Uhr wie verabredet, fuhr der grüne Unimog der Familie
Köster vor, welche am Vortag per Landweg von Quito kam und die Nacht im
luxuriösen Camp der Texaco verbrachte. Sie hatten am Vortag noch die aus
Cuyabeno kommende 12-köpfige Trekking-Gruppe von Peter Buhl getroffen, welche
im Grand-Hotel Lago Agrio übernachteten, dem soeben eröffneten Luxushotel
etwas außerhalb des Dorfes. Sie bestätigten, dass jemand aus der Siona-Kommune
um 10.00 Uhr an der Brücke zum Pozo Mena 2 im "Fluss" Tarapuy mit dem Kanu auf
uns warten würde.
Wir verstauten also unsere Rucksäcke und die Fotoausrüstung im Unimog und
fuhren zum 80 km entfernten Tarapoa. Da die Familie Köster in dieser Gegend
schon einigermaßen bekannt ist, kamen wir relativ problemlos durch die zwei
Militärkontrollstellen ausgangs Lago Agrio. Jedenfalls wurden wir unser extra
für die Militärs mitgegebene Erlaubnis des Landwirtschaftsministeriums nicht
los. Herr Köster musste jeweils seine Papiere vorzeigen. Um uns kümmerte sich
weiter niemand.
Um 9.30 Uhr waren wir an besagter Brücke, wo den Kösters aus Unachtsamkeit ihr
kleiner Nasenbär ins hohe Gras und Gebüsch entkam. Mit viel Glück und etwas
Geduld konnte ihn der kleine Timo aber wieder finden. Wir schleppten das ganze
Gepäck vom Unimog unter die regensichere Flussbrücke und deckten die Sachen
sicherheitshalber noch mit Plastik zu, denn es war weit und breit kein Boot zu
sehen.
Herr Köster fuhr den Unimog ins 7 km entfernte Camp der Texaco nach Tarapoa
und kam um 12.00 Uhr zu Fuß zurück. Kurz zuvor sind Victoriano und sein
Gehilfe Sergio mit dem Boot bei uns eingetroffen. Sie liefen mit 4 Kanistern
in den ca. 10 Minuten entfernten Krämerladen um sie mit Benzin zu füllen.
Um 15.00 Uhr ging die Fahrt bei inzwischen eingesetztem Regenfall los. Vom
ersten Moment weg hat uns diese romantische Fahrt fasziniert. Der braune,
undurchsichtige Fluss schlängelt sich, auf etwa 10 Metern Breite, unter
dichtem Urwald, ähnlich einem Tunnel, durch. In dauerndem Slalom geht es durch
schmale Durchgänge im Wasser liegender Bäume durch. Schon bald begleitet uns
eine zahlreiche kreischende Affenherde. Unglaublich, mit was für riesen
Sprüngen sich diese kleinen Viecher von Baum zu Baum katapultieren. Prächtige
Eisvögel fliegen mit dem Boot um die Wette. Am Himmel und auf den Bäumen sieht
man Papageien und Tukane. Ein Fischotter verschwindet raschelnd im Gebüsch.
Verschiedene Reiherarten kann man auf dem ganzen Weg beobachten.
Plötzlich werden wir aus unseren Träumen gerissen: Das Boot sitzt auf einem
Baumstamm auf. Victoriano, Friedemann Köster und ich verlassen das Boot und
turnen auf dem querliegenden Baumstamm herum. Victoriano schlägt von einem mir
unbekannten Baum eine Rinde, welche vor lauter Glitschigkeit kaum zu halten
ist. Mit Schaukelbewegungen bringen wir die Rinde unters Boot und schieben es
darüber. Kurz darauf treibt uns die Strömung gegen einen Baumstamm, das Boot
kippt und füllt sich innert Sekunden mit Wasser. Blitzschnell springen einige
aus dem Boot und stemmen das Boot hoch. Victoriano und Sergio schöpfen aus
Leibeskräften. Frau Köster steht bis zum Hals im Wasser, um den sie noch ihren
teuren Feldstecher hängen hat. Mit viel Glück und Dank der Erfahrung der
Kösters, haben wir Gepäck und Fotoausrüstung noch retten können. Alle sind
durch und durch nass. Victoriano, unser etwas unsicherer und leichtsinniger
Bootsführer amüsiert sich als Einziger köstlich, hatte er doch nebst seiner
kurzen Hose nichts zu verlieren.
Nachdem das Boot an Land entladen und nach Überwindung des Hindernises wieder
beladen war kommt Rogelio, der Sohn von Victoriano zu Hilfe, welcher im
naheliegenden Dorf das Aussetzen des Motors gehört hatte.
10 Minuten später kommen wir in der Kommune an, wo schon das ganze Dorf am
Ufer wartet. Während wir unsere nassen Klamotten ins naheliegende Schulhaus
schaffen, erzählt Victoriano lachend und gestikulierend seine Story, welche
wir leider nicht mitbekamen, fand sie doch in der dem spanischen in absolut
nichts ähnlichen Indiosprache statt.
Aus Angst vor den Moskitos stellen Sigi und ich das Innenzelt im
Schulhausinnern auf. Den Kösters leihen wir unsere Hängematten aus, welche sie
im Nebenzimmer mit unseren noch in Lago Agrio gekauften Sisalschnüren
aufhängen. Wir winden unsere Kleider aus und kochen schlotternd etwas zum
essen. Später besuchen wir den Sionahäuptling in seiner Bambusunterkunft, wo
schon die Dorfälteren um ein loderndes Feuer kauern. Victoriano übersetzt
unser Gespräch ins Quechua. Es folgt dann ein langes Palaver, welches uns dann
wieder in erstaunlicher Kürze übersetzt wird.
Es geht um Folgendes. Friedemann Köster, welcher schon seit ca. 2 Jahren in
Cuyabeno filmt, liegt die Natur sehr am Herzen. Die lndianer jagen und fischen
ihm zu viel. Er vermutet vor allem, dass sie nicht nur für ihren Eigengebrauch
sorgen, sondern auch noch Geschäfte
nach außen machen. Da der Tourismus in Cuyabeno langsam Einzug hält, und den
Sionas gutes Geld aber noch nicht für alle genug Beschäftigung bringt, hat er
Victoriano vorgeschlagen, in einem Anbau Hängematten flechten zu lassen. Der
Anbau war inzwischen fertiggestellt und die fast fertige ”Musterhängematte"
noch auf den Rahmen gespannt. Friedemann hatte also diesmal zwei Tüten voll
Faden mitgebracht und erklärte wie er sich die Endstücke und die
Farbkombinationen vorstelle. Anschliessend begaben wir uns in den Anbau zur
halbfertigen Hängematte, wo Friedemann erklärte, wie er sich die Einrichtung
und den Verkauf
der Matten an die Touristen vorstelle, und mit Victoriano mit langen
Erklärungen den Kostpreis und den Endpreis ausrechnete.
Herr Köster meint, dass die Touristen die Matten sicher kaufen würden, wenn
sie sehen könnten wie und mit was sie geflochten würden, und seine Leute ihnen
auch erklären könnten wieso sie auf diese Einkünfte angewiesen sind.
Wir begaben uns nochmals ins Gemeinschaftshaus, wo den weitere Fortgang
unserer Reise und von Kösters Aufenthalt besprochen wurde. Dann begaben wir
uns in die Haya.
Sonntag, 3.4.
Nach dem Frühstück fuhren wir um 7.00 Uhr den Rio Cuyabeno hoch. Landschaft
und Tierwelt waren ähnlich wie am Vortag, bis wir zur Laguna Grande kamen und
in den Rio Hormigos einbogen, welcher von bizarren Bäumen und parkähnlichen
Rasenufern eingerahmt ein fantastisches Schauspiel bot. Wie bei einem
Dominospiel sah man jetzt auf dem ganzen Weg flussaufwärts links und rechts
Alligatoren ins Wasser robben. Ein herrliches Schauspiel, nur schade, dass die
Tiere so scheu sind.
Es war ein herrlicher Tag, alles mutete wie ein Märchen an. Der strahlende
Sonnenschein war natürlich auch der Grund, dass sich die bis 250 cm langen
Tiere am Ufer aufhielten. Auf jedem Baum nistete eine andere Vogelart. Typisch
für diese Gegend ist der Hoatzin, ein grosser Amphibienvogel, der nur hier
vorkommt.
Etwa um 9.00 Uhr waren wir an unserem Ziel. Das Boot hielt an einem gerade
noch von "Krokodilen” bevölkerten Strand, von dem ein Weg zu einem etwas höher
gelegenen Strohhaus führte. Victoriano verabschiedete sich und fuhr mit den
Kösters weiter. Ganz alleine standen wir jetzt mitten im Urwald. Das Haus war
geräumig, sauber und steht jedermann zur Verfügung, der sich die Erlaubnis zum
Eintritt in den Cuyabenopark erwirbt. Es ist nicht bewirtschaftet, also auf
die Sauberkeit seiner Bewohner angewiesen. Es hat eine schöne Terrasse mit
einem Tisch und zwei Bänken, mit Sicht auf den Fluss und den Urwaldrand. Der
Umkreis von etwa 10 Metern ist gerodet und mit einigen Ananas bepflanzt.
Wir stellten wieder unser Innenzelt auf dem sauberen Boden der Hütte auf und
machten dort unsere Matten und Schlafsäcke bereit. Zur weiteren Bequemlichkeit
montierten wir die Hängematten mit Blick zum Fluss.
Gemütlich kochten wir zu Mittag, und schon bald schüttete es aus allen Wolken.
Es war ein herrliches Schauspiel, wie es so richtig aus Kübeln goss und schon
bald die Sonne wieder schien.
Wir machten uns auf den Erkundungsgang zum Fluss. Ein Tümpel voll mit Fischen,
Krokodilspuren und Losung und eine unbeschreibliche Vogelwelt erwartete uns am
Fluss. Es fehlte uns aber ein Feldstecher und ein Teleobjektiv. So reichhaltig
die Vogel und Tierwelt auch ist,die Viecher sind scheu und halten Distanz.
Bei all diesen Beobachtungen verrann der Tag im Nu. Nach dem Abendessen
begaben wir uns nochmals mit Laternen bewaffnet zum Fluss, wo man überall die
berühmten roten Augen der Alligatoren leuchten sah. Auch zwei Eulen begegneten
uns.
Montag 4.4.
Nach gesundem Schlaf mitten im Dschungel mit entsprechendem Urwaldkonzert
erwarteten wir die Ankunft Rogelios. Wir hörten ganz in der Nähe Affen
schreien. Wir schlugen uns ins Gebüsch um sie zu suchen und fanden sie dann
auch bald, hoch auf den Baumwipfeln herumturnen. Es war diesmal eine größere
Affenart. Sie waren fast schwarz.
Um 9.00 Uhr kam Rogelio Criollo mit seiner Frau Eva. Wir bestiegen das Boot
und fuhren den Rio Hormigas aufwärts zu den Seen Caymancocha,Patococha,
Macurucocha. Wieder flüchteten sich vor uns auf der Fahrt die Kaimane ins
Wasser. Ab und zu sah man dann auf Distanz ihre Köpfe etwas aus dem Wasser
ragen. Die Lagune Patococha war mit niedrigem Wasserstand. Wir banden das Boot
fest und liefen mit unseren Stiefeln am Ufer entlang. Das Wasser kochte vor
unzähligen Fischen, welche sich vor uns flüchteten. Wildenten und Kuh- und
Graureiher saßen auf den Bäumen. Herrlich auch, wie die Papageien in
Formationen vorüberflogen.
Auf dem Rückweg zum Boot, konnten wir ganz genau frische Pantherspuren
ausmachen.
Wir fuhren zurück zur Hütte, aßen schnell Mittag und drangen auf einem gut
sichtbaren Weg in den Urwald ein. Was es da an Pflanzen und Orchideen alles zu
sehen gibt, brauche ich euch ja kaum zu erzählen.
Schon bald stießen wir auf eine seltene Schlange. Sie züngelte friedlich vor
sich hin. Der Führer ergriff gleich die Flucht. Ich hatte keinen Fotoapparat
dabei und Sigfried war noch weit zurück. Also rief ich ihm. Inzwischen hat
mich die Schlange bemerkt und beginnt mit ihrem Schwanz fürchterlich zu
rasseln. Inzwischen ist Sigi angekommen und vergisst vor lauter Aufregung den
Blitz auf seinen Apparat aufzusetzen. Die Schlange hebt jetzt ihren vorhin
noch normalen Kopf, welcher sich jetzt aufbläht und haargenau wie der Kopf
einer Kobra aussieht. Nachdem sie so gewarnt hatte, legte sie sich wieder und
kam auf uns zu. Wir ergriffen sofort den Rückzug und schon versteifte sie sich
wieder, begann mit dem Hals zu wiegen und mit dem Schwanz zu rasseln. Nachdem
wir still verharrten, wendete sie sich ab und
begann die naheliegende Palme zu besteigen. Jetzt konnte man die grüne Kobra
in ihrer ganzen Länge und Pracht sehen. Sigfried setzte seinen Blitz auf und
verknipste den ganzen Film.
Langsam wand sich das Reptil den Stamm hoch und entschwand langsam unseren
Blicken.
Rogelio, welcher im Urwald aufgewachsen, weiß wohl weshalb er sich so schnell
verzog. Diese Schlange hätte er noch nie gesehen sagte er, denn eine
Buschmeister war es nicht. Das Vieh war ungefähr 2,5 mt. lang und hatte
überhaupt keinen Respekt vor uns.
Etwas vorsichtiger liefen wir weiter, beobachteten einen riesigen Specht bei
seiner Arbeit. Eine komische Echse schlug sich ins Gebüsch. Man sah ab und zu
Höhlen von Gürteltieren. Wir liefen so ungefähr 5 Stunden. Der Schweiß lief
uns nur so herunter, obwohl wir ja eigentlich ım Schatten waren. Eine Weile
verweilten wir noch mit der Beobachtung eines großen schwarzen Affen, welcher
sich wieder hoch oben von Ast zu Ast schwang.
Zurück in unserer Unterkunft wechselten wir die Kleider und fuhren mit dem
Kanu los, diesmal flussabwärts an der Laguna Grande vorbei, weiter den Rio
Cuyabeno hoch. An einer ziemlich weiten Stelle stellten wir den Motor ab und
ruderten still vor uns hin. Schon bald sprang der erste Paixe aus dem Wasser.
Ein herrliches Zusehen. Das ist der größte existierende Süßwasserfisch. Diese
werden bis 250 cms gross. Ab und zu erblickte man ein Stück des weissen
Delphins. Wir fuhren weiter flussaufwärts. Es war wie in einem Krimi. Still
sein und seine Augen überall haben. Überall raschelte und flatterte es. Einen
Tapir überraschten wir beim Wassertrinken. Kapuzineraffen turnten herum.
Einfach unbeschreiblich. Nach 2 Stunden wendeten wir wieder und “schifften
heimwärts". Trotzdem es Elektroaale, Stachelrochen und Piranhas im Wasser
gibt, konnte ich es nicht lassen in der Laguna Grande bei Sonnenuntergang noch
ein erfrischendes Bad zu nehmen. Nach längerem Zuschauen wagte es dann auch
Sigi. Es war köstlich, das Wasser hatte genau die richtige Temperatur.
Zurück in der Hütte genossen wir den schönen Abend und den kolumbianischen
Rum.
Nach dem üblichen Frühstück fahren wir um 7.30 Uhr wieder den Rio Hormiga hoch
und umkreisen die Laguna de Caimanes paddelnd ohne Motor. Die Kaimane waren
diesmal nur noch im Wasser zu sehen, denn es war noch zu früh für einen
”Landausf1ug“. Herrlich, die bizarren Formen der Bäume, welche von unzähligen
Vogelarten bewohnt sind. Mit viel Geduld kamen wir an viele sehr nahe heran.
Eine Vielfalt von Reihern war zu sehen, allerdings sind sie äußerst scheu.
Später fahren wir wieder zurück bis zur Laguna Grande, wo wir vorsichtig den
schiffbaren Weg zu den Häusern der Universidad Catolica suchen, denn wir
wollten die Familie Köster besuchen.
Wir kamen bis fast 100 Meter an die Siedlung heran und wateten dann mit
hochgekrempelten Hosen den Hang hinauf. Timo rennt uns schon von weitem
entgegen. Frau Köster empfängt uns mit kaltem Zitronensaft.
Schön haben sie es hier. Die Siedlung besteht aus drei Hütten: 1 Wohnhütte, l
Materiallager und 1 Ess-und Kochraum. Auch hier sprießen Ananas, kleine
Heckentomaten und Aji. Die beiden Kinder brennen gerade Keramik im offenen
Feuer. Bis die Linsensuppe warm ist, mache ich einen Abstecher in den Urwald,
wo ich mich über und durch kreuz und quer liegende Urwaldriesen kämpfen muss.
Ein Hurrikan hat kürzlich eine Schneise gerissen. Auch das Dach der Hütte fürs
Material soll es dabei abgedeckt haben. Es ist aber bereits wieder neu mit
Bambusblättern beflochten. Nebst ein paar herrlichen Orchideen gab es nicht
viel zu sehen, sieht man von der Vielfalt von farbigen Kleintieren und
Schmetterlingen einmal ab.
Die Linsensuppe stand bereits dampfend auf dem Tisch. Ein Griff zum Fenster
hinaus und schon hatte ich die gewünschte Suppenwürze. Eine "Aji",
extrascharf, welche mir Tränen in die Augen trieb und allgemeine Heiterkeit
erweckte. Trotzdem schmeckte die hausgemachte Suppe hervorragend.
Nach längerem Kaffeeklatsch, verabschieden wir uns von den Kösters, welche
noch etwa 14 Tage bleiben, denn die Kinder haben jetzt Osterferien.
Herr Köster und Timo begleiten uns zum Boot und fahren mit uns bis ans andere
Ufer, wo ihr Einbaum angebunden liegt. Als sie und wir hier ankamen, war der
Wasserstand einiges tiefer, sodass sie eine große Strecke watend und zu Fuß
zurücklegen mussten. Wir verabschieden uns. Paddelnd und glücklich ziehen die
beiden von dannen. Wie wir sie beneiden, müssen wir beide doch heute schon
wieder zurück.
Bis September will Herr Köster den Film über dieses wohl einzigartige Paradies
fertig haben. Ich kann es kaum mehr erwarten, ihn zu sehen.
Etwas abseits, am Ufer des Sees, sehen wir eine ähnliche Hütte, wie wir sie
bewohnen. Diese gehöre ebenfalls zum Nationalpark und werde öfters von Peter
Buhl und seinen Touristen benützt, erklärt uns Rogelio.
Zurück in unserer Unterkunft, beginnen wir wehmütig zu packen. Aufs
Mittagessen verzichten wir, denn unser Proviant reicht nur noch für eine
Mahlzeit, welche wir für den Abend geplant haben.
Man müsste unbedingt einen Tag länger planen, und sei es nur, oder gerade
deshalb, um mindestens einmal so richtig in der Hängematte bei dieser Stille
zu faulenzen. Mit der Zeit beginnt man bereits die Leute im Urwald etwas
auszumachen. Man weiß wann Affen schreien, oder Papageien etc.
Um 13.40 geht die Fahrt zurück in die Kommune, welche wir um 15.00 Uhr
erreichen. Wir quartieren uns wieder im Schullokal ein und erhalten schon bald
den Besuch von Victoriano, welcher seine Urtracht, Ohrenschmuck und duftende
Kräuter um seine Oberarme gebunden hat.
Es scheint ihm unheimlichen Spaß zu machen, sich mit Fremden zu unterhalten
und von seiner "Heimat" zu erzählen. Genau soviel Freude macht es natürlich
auch mir. Er erzählt, wie jeweils bei ansteigendem Wasserstand die rosa und
weißen Delfine hordenweise flussaufwärts ziehen. Das muss ein tolles
Schauspiel sein. Hoffentlich darf ich das einmal erleben.
Trotzdem wir noch 2 Suppen und eine Schnitte Brot haben, reicht unser
Alkoholvorrat nur noch für einen und Rogelio wollen wir nicht belästigen. Den
Rum haben wir am Vorabend ausgetrunken. Müde und niedergeschlagen gehen wir
bereits um 19.15 in die Haya.
Mittwoch, 6.4.
Ohne Frühstück und Kaffee brechen wir um 7.00 Uhr auf. Rogelio war schon da,
obwohl er erst um 8.30 Uhr fahren wollte. Es sind nämlich zwei Jungens mit
einem Einbaum aus Tarapoa eingetroffen, mit der Nachricht, ein Guide warte mit
zwei amerikanischen Touristen an der Brücke. Ein Glück für die, dass wir
sowieso zurückwollten, sonst müssten sie jetzt 2 Tage aufs Boot warten. Da der
Wasserstand inzwischen um einiges gestiegen ist, versperren uns oft Bäume den
Weg. Mit viel Kraft müssen Äste abgebrochen und Stämme mit der Machete
abgehackt werden. Liegen die Stämme knapp über Wasser, so nimmt Rogelio Anlauf
und wir schießen wie ein Pfeil über das Hindernis. Als wir um 9.30 Uhr an der
Brücke ankommen, bin ich wieder einmal durch und durch nass.
Am Flussrand hocken die blutjungen Touristen, mit Klappbetten, Liegestühlen,
Aluminiumkoffern, 3 Kisten Mineralwasser, wir kommen zum Staunen nicht mehr
heraus. Was wir zu wenig mitgeschleppt, haben diese bestimmt zu viel dabei.
Kösters haben uns dann später berichtet, sie sind nie bei ihnen angekommen.
Sind wohl unterwegs wieder umgekehrt.
Sigi und ich vermuteten schon beim ersten Anblick, dass die Leute keine
Bewilligung vom Landwirtschaftsministerium hatten, denn kaum angekommen, zog
der dicke ecuadorianische Guide Rogelio zur Seite und flüsterte aufgeregt auf
ihn ein.
Nun, wir nehmen unsere Rücksäcke auf den Buckel und noch je einen leeren
Benzinkanister von Rogelio und laufen bei Regen zu der Tienda von Doña Rita,
wo uns schon so früh ein betrunkener amerikanischer "Erdölbohrer" empfängt. Er
gibt ohne lange zu fragen zwei Runden Bier aus und fährt dann sehr hilfsbereit
Rogelio mit seinen Einkäufen und dem Benzin zur Brücke zurück.
Wir sollten auf ihn warten schreit er noch, er lade uns zum Mittagessen im
Camp der Texaco ein, und weg war er. Zum Glück kam dann um 12.00 ein offener
Bus vorbei, mit dem wir bei sturzbachartigem Regen nach Lago Agrio gondelten.
Vorher konnten wir noch in der Nähe des Hauses eine große Vogelspinne
beobachten. Als sie dann auch ein Einheimischer, durch unsere Fotoblitze
aufmerksam geworden, erblickte, zertrampelte er sie ohne zu fragen und sagte,
gerade gestern wäre seine kleine Tochter von einer gestochen worden, und sei
bis um 7.00 Uhr abends bewusstlos gewesen. Diese Viecher seien gefährlich.
Um 15.15 kamen wir im matschigen und nur mit Stiefeln begehbaren Lago Agrio
an, durch und durch nass. Trotzdem laufen wir als erstes zur TAME, um unseren
Rückflug nach Quito zu reservieren, was aber wie uns bereits vorhergesagt
nicht möglich war. Also quartierten wir uns im Hotel Cofan ein, und brachten
uns als allererstes wieder in einen zivilen Rahmen. Zum Glück hatten wir
genügend Ersatzkleidung dabei.
Jetzt zogen wir ins Selbstbedienungsrestaurant unseres Hotels und verzehrten
dort um ca 17.00 Uhr ein Menu. Darauf zogen wir ins Hotel Manabi und aßen dort
nochmals ein reichlich garniertes Churrasco.
Jetzt eilten wir zur IETEL, dem ecuadorianischen Telefonamt und wollten dort
nach Quito unseren Familien anrufen. Die Eingangstüre war zugeschlossen. Ein
Zettel hing dran. „Die Telefonlinien sind kaputt, deshalb haben wir
geschlossen". Also hasteten wir wieder zurück ins Hotel um von dort aus
anzurufen. Aber auch hier erhielten wir dieselbe Antwort.
In Unwissenheit, wie lange unsere Cuyabenoreise dauert, hatten wir unseren
Frauen unsere Rückkehr auf Dienstag angesagt. Dazu hat sich Marco Pinto bereit
erklärt, vom Flugplatz aus nach Logo Agrio zu funken,dass TAME uns mitnähme,
im Fall sie ausgebucht wäre. Und nun standen wir, morgen ist Donnerstag und
wir sind noch nicht einmal sicher, dass ob der TAME-Flug nach Quito schon voll
ist, und keine Gelegenheit zu Hause anzurufen. Dazu hatte ich zu meinem
Leidwesen schon vor einigen Tagen festgestellt, dass ich den Autoschlüssel von
Susis Auto noch im Sack habe. Ersatzschlüssel hat sie keinen, da verloren.
Niedergeschlagen trotteten wir zu dem wohl niedlichsten "Restaurant" von Lago
Agrio, wo wir unseren letzten Rum gekauft hatten. Drei Flaschen wollten wir
nach Quito nehmen. Schon fast entschlossen, mit diesen Errungenschaften jetzt
ins Hotel zu gehen, setzten wir uns nieder und fragten zaghaft, ob es der Frau
Wirtin wohl etwas ausmache, wenn wir eine von diesen Flaschen hier tränken?
Nein, nein, überhaupt nicht, meinte sie und brachte schnell Cola,
Mineralwasser Guitig, Eis und Zitrone.
Nun, was soll ich lange erzählen, der Abend endete, als alle drei Flaschen
leer und wir in urgemütlicher Runde in die nächste Bar zogen.
Endlich entschlossen ins Bett zu gehen, geht in Lago Agrio das Licht aus
(scheints immer um 24.00 Uhr). Mit Mühe und Not fanden wir bei stockdunkler
Nacht unser Hotel, welches natürlich bereits abgeschlossen war. Nach viel Tam-
Tam schließt uns dann eine vermummte Gestalt die Türe auf und drängt nach mehr
Ruhe.
Donnerstag 7.4.88
Noch völlig benebelt sitzen wir um 7.00 Uhr im Frühstücksraum und siehe da, oh
Wunder, schon kommt Milton Flores an, ein Ecuadorianer, welchen wir gestern
Abend in dem netten Restaurant kennengelernt hatten. Er ist Angestellter bei
Texaco und hat uns gestern Abend völlig betrunken verlassen, aber geschworen,
er würde uns um 7.00 auf den Flugplatz bringen und für Plätze im Flugzeug
sorgen. Und das tat er dann auch. Er half uns noch beim packen und
heruntertragen. Am Flughafen hatte er schon einen "Untertanen" stehen, der
schon seit 6.00 Uhr für uns in der Reihe stand. Er besorgte gleich ein paar
Biers und verabschiedete sich dann später. Das Flugzeug ließ allerdings noch
lange auf sich warten.
Um 11.15 kamen wir in Lago Agrio endlıch weg und waren dann froh, endlich
wieder in Quito zu sein.
Die Familie Köster kam dann statt am 14. April erst am 16. April in Quito an,
nach 56 Stunden Autofahrt wie sie sagten, denn die Straße von Lago Agrio nach
Baeza war verschüttet, sodass sie eine soeben fertiggestellte benützen
mussten, welche von Coca nach Loretto, Archidona führt. Da auch Baeza-
Papallacta gesperrt war, mussten sie wieder zurück nach Archidona und von dort
nach Tena, Puyo, Baños über Ambato nach Quito.
Wie Ihr seht, so schön Cuyabeno ist und so einzigartig, so schwierig und
aufreibend ist auch das "Dorthinkommen”.
Trotz allem, diese Strapazen ist es alleweil wert.
Cuayabeno ist die vogelreichste Gegend
Südamerikas. Es soll dort 463 verschiedene
Vogelarten geben. Die Gegend ist im wahrsten Sinne
des Wortes noch fast unberührt. Man darf nur
hoffen, dass dort nie nach Erdöl gebohrt wird,
sonst ist ein weiteres Paradies, von den
wenigen die noch bleiben,
für immer zerstört.
Siegfried
Trapp
Willkommen
Bienvenido
Welcome
© strapp 2019
strapp.de durchsuchen: