Freitag, 28.9.1984, 19:30 Schon ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen:  Herr Ru., der Primaria-Leiter, einer der beiden Vize-Direktoren, kommt aus Konstanz, kann aber Ulmer raue-Alb-Schwäbisch. Ein trolliger Kerl. Von der Hilfsbereitschaft her kann ich mich überhaupt nicht beklagen. Dr. Fo. macht im Augenblick einen überarbeiteten Eindruck, auch He. (der Secundaria-Leiter) und Ru., aber alle sind sehr hilfsbereit. Ru. hat mir Tisch und Stühle besorgt, seine Frau einen Nothausrat samt einem kleinen Elektrokocher mitgegeben, darüber hinaus zwei Pflanzen geschenkt. Ru. hat die Sachen zur Wohnung gebracht, im Hochglanzmercedes. Das Ehepaar hat mich ein wenig an das im „Petite mousse“ in Vias Plage bei der Radreise letztes Jahr, erinnert. Die Wohnung sieht auch auf den zweiten Blick noch sehr schön aus; die Sicht ist natürlich keineswegs so großartig wie bei den Wohnungen am Hang. Dr.  Fo. hat den Mietpreis in lobenswerter Manier auf S/. 15,000 heruntergehandelt. Kommt Zeit, kommt Rat. Quito, Francisco Andrade Marin, Dienstag, 2.10.1984, 19:00 Das zuletzt geschriebene Sprichwort trifft hier in einem Umfang zu, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. Am Sonntag bin ich in die Wohnung „eingezogen“. Die Maria T. hat mir dabei geholfen, hat mich hingefahren, hat mir eine Matratze ausgeliehen. Dort stellten wir dann fest, dass die Vermieterin, Sra. Mo., Grundschullehrerin am Colegio Alemán, bereits ein Bett hat reinstellen lassen. Ach ja, richtig: Am Samstag waren wir, d.h. die Di.-Familie, Ur. H., und ein Deutscher, der Neoplasmus zu definieren wusste, sowie der Indigeno Orlando, in Otavalo, auf dem berühmten Markt. Beeindruckend. Leben, Handel, Armut, Krankheit, Arbeit, Leid, Hunger, Nahrung, Kleidung, Kinder, Leben, Kunstfertigkeit. Das Zählen von Geldscheinen. Angebot und Nachfrage. Ich erstand Wolldecken, einen Wandbehang, Kochtöpfe, und eine Panflöte. Ein blinder Flötenspieler, der Centavos von den Ärmsten erhielt. Überleben. Wir besuchten die Indio-Musikgruppe „Peruche“; ein alter Schuppen als Büro; die eigenen Schallplatten. Ein Gang zu einem Wasserfall durch Eukalyptuswald. Die strapaziöse Rückfahrt zu acht im Chevy Trooper. Man findet, besonders alleinstehend, leicht Kontakt zu anderen Deutschen hier. Viele Hintergrundinformationen. Zweimal war ich schon bei Fo.s; beim ersten Mal recht gutes Gespräch bei “Jugo de Naranjas con Vodka.” Die Teerunde bei Ru.s, Sportergebnisse über die Deutsche Welle, Bergsteigen, und die dazu passende Musik. Am gestrigen Tag, von 13 bis 21 Uhr, bei den Zi.s, Jo. und El.. Die Empleadas, der Schäferhund, Wermut, Cognac, Kümmel. Eintopf, Pizza. Schule. Leben in Ecuador. Unzulänglichkeiten und daraus resultierende Verbitterung. Das Lebenswerk Einrichtung naturwissenschaftliche Räume. Alle reden mir gegenüber sehr frei: Porque? Untereinander spielen sie versteckter. Fo. vs. Zi., vs. Ru./Hu. Die alte Geschichte von Ro. und Dö. Ein Ma. Z. hält sich aus allem heraus. Kein untergeordnetes Problem ist mein Status. „Vermittelter“ oder „Ortskraft“? Gehaltsmodalitäten deuten auf letzteres. Fo. bemüht sich um Ersteres; auch die Visumsklasse deutet dorthin. Import eines Autos? Viele offene Fragen. Sehr viele. Viele werden aber auch geschlossen. Kommt Zeit, kommt Rat. In der Schule läuft´s recht improvisiert. Ich habe so gut wie keine Materialien zur Unterrichtsvorbereitung, keine Aufschriebe, Bücher, Filme, Arbeitsblätter, Geräte. Der Unterricht in den ecuadorianischen Klassen ist nur zu 50%  Biologie- oder Chemie-  und zu 50% Deutschunterricht. Viel erklären, umschreiben, und wenig vorankommen. So habe ich weniger Arbeit beim Vorbereiten und mehr im Unterricht: Das ist mir auch viel lieber. Gestern und vorgestern habe ich nur fünf Stunden geschlafen; das ist gar nicht gut für den nächsten Tag.  Dies werde ich in Zukunft ändern. Auch sollte ich einmal am Tag essen gehen. Leider streikt immer noch die Post. Ich hätte gern den Brief an Bn. abgesandt, und auch einen an So. und Ro.. Ich würde auch gern Post erhalten. 22:00 Die Mondsichel zeigt nach oben, der Mond liegt hier also. In wenigen Stunden führt seine Bahn von Zenit zum Horizont. Das harte Tock-Tock der Laubfrösche ertönt die ganze Nacht.
Siegfried Trapp
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Freitag, 28.9.1984, 19:30 Schon ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen:  Herr Ru., der Primaria- Leiter, einer der beiden Vize- Direktoren, kommt aus Konstanz, kann aber Ulmer raue-Alb-Schwäbisch. Ein trolliger Kerl. Von der Hilfsbereitschaft her kann ich mich überhaupt nicht beklagen. Dr. Fo. macht im Augenblick einen überarbeiteten Eindruck, auch He. (der Secundaria-Leiter) und Ru., aber alle sind sehr hilfsbereit. Ru. hat mir Tisch und Stühle besorgt, seine Frau einen Nothausrat samt einem kleinen Elektrokocher mitgegeben, darüber hinaus zwei Pflanzen geschenkt. Ru. hat die Sachen zur Wohnung gebracht, im Hochglanzmercedes. Das Ehepaar hat mich ein wenig an das im „Petite mousse“ in Vias Plage bei der Radreise letztes Jahr, erinnert. Die Wohnung sieht auch auf den zweiten Blick noch sehr schön aus; die Sicht ist natürlich keineswegs so großartig wie bei den Wohnungen am Hang. Dr.  Fo. hat den Mietpreis in lobenswerter Manier auf S/. 15,000 heruntergehandelt. Kommt Zeit, kommt Rat. Quito, Francisco Andrade Marin, Dienstag, 2.10.1984, 19:00 Das zuletzt geschriebene Sprichwort trifft hier in einem Umfang zu, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. Am Sonntag bin ich in die Wohnung „eingezogen“. Die Maria T. hat mir dabei geholfen, hat mich hingefahren, hat mir eine Matratze ausgeliehen. Dort stellten wir dann fest, dass die Vermieterin, Sra. Mo., Grundschullehrerin am Colegio Alemán, bereits ein Bett hat reinstellen lassen. Ach ja, richtig: Am Samstag waren wir, d.h. die Di.-Familie, Ur. H., und ein Deutscher, der Neoplasmus zu definieren wusste, sowie der Indigeno Orlando, in Otavalo, auf dem berühmten Markt. Beeindruckend. Leben, Handel, Armut, Krankheit, Arbeit, Leid, Hunger, Nahrung, Kleidung, Kinder, Leben, Kunstfertigkeit. Das Zählen von Geldscheinen. Angebot und Nachfrage. Ich erstand Wolldecken, einen Wandbehang, Kochtöpfe, und eine Panflöte. Ein blinder Flötenspieler, der Centavos von den Ärmsten erhielt. Überleben. Wir besuchten die Indio-Musikgruppe „Peruche“; ein alter Schuppen als Büro; die eigenen Schallplatten. Ein Gang zu einem Wasserfall durch Eukalyptuswald. Die strapaziöse Rückfahrt zu acht im Chevy Trooper. Man findet, besonders alleinstehend, leicht Kontakt zu anderen Deutschen hier. Viele Hintergrundinformationen. Zweimal war ich schon bei Fo.s; beim ersten Mal recht gutes Gespräch bei “Jugo de Naranjas con Vodka.” Die Teerunde bei Ru.s, Sportergebnisse über die Deutsche Welle, Bergsteigen, und die dazu passende Musik. Am gestrigen Tag, von 13 bis 21 Uhr, bei den Zi.s, Jo. und El.. Die Empleadas, der Schäferhund, Wermut, Cognac, Kümmel. Eintopf, Pizza. Schule. Leben in Ecuador. Unzulänglichkeiten und daraus resultierende Verbitterung. Das Lebenswerk Einrichtung naturwissenschaftliche Räume. Alle reden mir gegenüber sehr frei: Porque? Untereinander spielen sie versteckter. Fo. vs. Zi., vs. Ru./Hu. Die alte Geschichte von Ro. und Dö. Ein Ma. Z. hält sich aus allem heraus. Kein untergeordnetes Problem ist mein Status. „Vermittelter“ oder „Ortskraft“? Gehaltsmodalitäten deuten auf letzteres. Fo. bemüht sich um Ersteres; auch die Visumsklasse deutet dorthin. Import eines Autos? Viele offene Fragen. Sehr viele. Viele werden aber auch geschlossen. Kommt Zeit, kommt Rat. In der Schule läuft´s recht improvisiert. Ich habe so gut wie keine Materialien zur Unterrichtsvorbereitung, keine Aufschriebe, Bücher, Filme, Arbeitsblätter, Geräte. Der Unterricht in den ecuadorianischen Klassen ist nur zu 50%  Biologie- oder Chemie-  und zu 50% Deutschunterricht. Viel erklären, umschreiben, und wenig vorankommen. So habe ich weniger Arbeit beim Vorbereiten und mehr im Unterricht: Das ist mir auch viel lieber. Gestern und vorgestern habe ich nur fünf Stunden geschlafen; das ist gar nicht gut für den nächsten Tag.  Dies werde ich in Zukunft ändern. Auch sollte ich einmal am Tag essen gehen. Leider streikt immer noch die Post. Ich hätte gern den Brief an Bn. abgesandt, und auch einen an So. und Ro.. Ich würde auch gern Post erhalten. 22:00 Die Mondsichel zeigt nach oben, der Mond liegt hier also. In wenigen Stunden führt seine Bahn von Zenit zum Horizont. Das harte Tock-Tock der Laubfrösche ertönt die ganze Nacht.
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