Die nächste hatte ich mehrere Stunden beobachtet. Sie war von schmaler, unscheinbarer Gestalt und hatte, wohl auch aufgrund ihres sehr zurückhaltenden Wesens, niemanden ergattern können. Aber ihr Gesicht war sehr schön und warm, und so war sie dann auch im Bett, sogar heiß, sie begann mit stürmischen Zungenküssen (!) und hatte viel Freude daran. Mit ihr unterhielt ich mich auch weitaus am meisten. Die dritte: Bei ihr fesselte mich die Mischung aus frühreifem Kindergesicht, schmalen Schultern und üppigem, tief angesetzten aber wohlgeformten Busen, Auch sie versah die Arbeit in ihrem Dienstleistungsgewerbe mit Sympathie. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich unter erheblichem Alkoholeinfluss an einem Abend auf der anderen Straßenseite hintereinander an zwei „Frauen“ geriet, beide von mondänem, phantastischem Aussehen, die nach dem Ausziehen wunderbar geformte Brüste boten, (8). Es waren kokainsüchtige Zwitterwesen, Junkies mit mehreren Einstichstellen in der Armbeuge. Auch in der den „Ramblas“ zur Linken gelegenen Altstadt wimmelte es von Prostituierten; Barcelona scheint des nachts ein einziges großes Bordell zu sein. Das war der eine Part des Barcelona-Aufenthalts; der zweite betraf die Architektur von Antoni Gaudí. Die zog ich mir tagsüber ein, mit langen Fußmärschen. Die Privathäuser waren, da bewohnt, leider nur von außen zu betrachten. Am besten gefiel mir die „Casa Battló”, am „Passeig de Gràcia“ gelegen. Der „Parc Güell” war nicht so beeindruckend, wie die Fotographien in meinem Gaudí-Bildband versprachen. Umso mehr beeindruckte „La Sagrada Familia“. Nur die Außenwände dieser riesigen Kirche stehen bisher, und vier der 100 m hohen Türme von phantastischem Äußerem. Zu Gaudís Lebzeiten waren erst die zwei Osttürme erstellt. So wie ich es sehe, werden mindestens nochmal 60 Jahre vergehen, bis „La Sagrada Familia“ fertiggestellt ist. Bilderfilm Barcelona 1985 Montag, 7.10.1985, 24:00 Einer meiner schwächsten, ohnmächtigsten Tage, seit ich in Quito bin. Mittwoch, 16.10.1985, 19:00 Es verursacht Magenschmerzen, wenn man Ärger hat und mit niemandem darüber sprechen kann. Ich habe im Moment schwache Nerven. Freitag, 18.10.1985, 18:00 Eine Kette von Niederlagen, seit ich wieder in diesem verdammten Drecksland bin. Mit dem verdammten Jeep habe ich bisher 5% Spaß und 95% Schwierigkeiten gehabt, dauernd ist was defekt, und die Werkstätten werden von unglaublichen!!! verdammten unfähigen Pfuschern betrieben, das Pack arbeitet nur an deinem Wagen, wenn du daneben stehst. Zig Stunden und viele Tage in dieser verdammten Werkstatt, und jetzt ist mehr kaputt als zuvor. Nase und Augen schmerzen von der verdammten Brille, an die ich mich nie gewöhnt habe, ich bin nervös, unzufrieden, mit Magendrücken versehen, etwas, das ich vorher kannte, und das in Ecuador bislang nie aufgetreten war. Was, verdammt noch mal ist los? Warum fühle ich mich gehetzt, unter Zeitdruck? Ich möchte mich ausheulen und aussprechen. Ich wollte, Bn. wäre jetzt hier. Sonntag, 20.10.1985, 18:30 Illiniza-Sur ist bestiegen, mit Ch.E. und R.R..        Er gilt als einer der technisch schwierigsten Berge von Ecuador. Bilderfilm Illiniza Sur Mittwoch, 23.10.1985, 20:30 Gestern Abend wurde auf meinen Kollegen Th. geschossen, als er seine Frau B. mit dem Auto vom Flughafen abholen wollte. Er geriet in eine Demonstration, die Demonstranten trommelten auf sein Auto ein, er reagierte unbeherrscht, und aus der Menge wurden zwei Schüsse abgefeuert, wovon einer die Scheibe durchschlug und der andere in die Karosserie eindrang. Augenscheinlich ein größeres Kaliber. Samstag, 2.11.1985, 19:30 Samstagabend: Müde und zerschlagen vom Fußballspielen. Schmerzen in der rechten Hand. Atembeschwerden. Keine Lust zu nichts. Leicht erkältet. Keine Lust rauszugehen: Quito ist tot. Keine Muße zum Briefeschreiben. Oder Berichte ins Tagebuch. Seit der Rückkehr aus Deutschland ist die Selbstdisziplin mangelhaft. Nicht mal Lust zum Saufen hab ich. Das Nervenkostüm hat noch immer einige Löcher. Es geht mir nicht schlecht, ganz gewiss nicht. Es fehlt mir aber was. Dienstag, 5.11.1985, 16:00 Im ersten Jahr in Ecuador war mir der Gedanke, das Land zu verlassen, meist völlig fremd. In einer Zukunft, einer nicht konkreten, sicherlich, aber doch weit weg, unwirklich. In den Ferien in Deutschland war die Rückkehr hierher so selbstverständlich, alle meine in Deutschland abgegebenen Berichte über das Land zuversichtlich und weitaus überwiegend positiv. Die Regenzeit hätte eigentlich schon einsetzen müssen, aber unverändert strahlt eine gleißende Sonne herab; nur etwas diesig ist es geworden. Es scheint von meinem Schreibtisch aus gesehen wie immer sehr ruhig draußen zu sein, aber mir kommt die Ruhe inzwischen trügerisch, fremd, unheimlich vor, so wie mir das ganze Land seit meiner Rückkehr nicht mehr interessant, exotisch und abenteuerlich vorkommt, sondern trügerisch, fremd und unheimlich. Es scheint mich abstoßen zu wollen. Ich glaube ich habe an einer Stelle mal erwähnt, dass hier Land und Leben gut und schön sind, wenn ich stark und gesund bin, bereit, den Schwierigkeiten zu begegnen, nach Möglichkeit positiv zu begegnen. Diese Bedingungen treffen im Moment nicht mehr zu. Wut und Resignation nehmen zu, und stärker subjektiv werdende Bewertungen. Ich sehe nicht mehr klar. Eine Reihe von Dingen hat mich verunsichert, meine Gelassenheit und Zuversicht geraubt. Der Gedanke, dem Land den Rücken zu kehren, ist nicht mehr so fremd wie früher. Bn. hat gerade angerufen. 20:00 Bn. kommt früher! Vermutlich Ende Januar. Drei Monate früher.
Siegfried Trapp
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Die nächste hatte ich mehrere Stunden beobachtet. Sie war von schmaler, unscheinbarer Gestalt und hatte, wohl auch aufgrund ihres sehr zurückhaltenden Wesens, niemanden ergattern können. Aber ihr Gesicht war sehr schön und warm, und so war sie dann auch im Bett, sogar heiß, sie begann mit stürmischen Zungenküssen (!) und hatte viel Freude daran. Mit ihr unterhielt ich mich auch weitaus am meisten. Die dritte: Bei ihr fesselte mich die Mischung aus frühreifem Kindergesicht, schmalen Schultern und üppigem, tief angesetzten aber wohlgeformten Busen, Auch sie versah die Arbeit in ihrem Dienstleistungsgewerbe mit Sympathie. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich unter erheblichem Alkoholeinfluss an einem Abend auf der anderen Straßenseite hintereinander an zwei „Frauen“ geriet, beide von mondänem, phantastischem Aussehen, die nach dem Ausziehen wunderbar geformte Brüste boten, (8). Es waren kokainsüchtige Zwitterwesen, Junkies mit mehreren Einstichstellen in der Armbeuge. Auch in der den „Ramblas“ zur Linken gelegenen Altstadt wimmelte es von Prostituierten; Barcelona scheint des nachts ein einziges großes Bordell zu sein. Das war der eine Part des Barcelona- Aufenthalts; der zweite betraf die Architektur von Antoni Gaudí. Die zog ich mir tagsüber ein, mit langen Fußmärschen. Die Privathäuser waren, da bewohnt, leider nur von außen zu betrachten. Am besten gefiel mir die Casa Battló”, am „Passeig de Gràcia“ gelegen. Der „Parc Güell” war nicht so beeindruckend, wie die Fotographien in meinem Gaudí-Bildband versprachen. Umso mehr beeindruckte „La Sagrada Familia“. Nur die Außenwände dieser riesigen Kirche stehen bisher, und vier der 100 m hohen Türme von phantastischem Äußerem. Zu Gaudís Lebzeiten waren erst die zwei Osttürme erstellt. So wie ich es sehe, werden mindestens nochmal 60 Jahre vergehen, bis „La Sagrada Familia“ fertiggestellt ist. Bilderfilm Barcelona 1985 Montag, 7.10.1985, 24:00 Einer meiner schwächsten, ohnmächtigsten Tage, seit ich in Quito bin. Mittwoch, 16.10.1985, 19:00 Es verursacht Magenschmerzen, wenn man Ärger hat und mit niemandem darüber sprechen kann. Ich habe im Moment schwache Nerven. Freitag, 18.10.1985, 18:00 Eine Kette von Niederlagen, seit ich wieder in diesem verdammten Drecksland bin. Mit dem verdammten Jeep habe ich bisher 5% Spaß und 95% Schwierigkeiten gehabt, dauernd ist was defekt, und die Werkstätten werden von unglaublichen!!! verdammten unfähigen Pfuschern betrieben, das Pack arbeitet nur an deinem Wagen, wenn du daneben stehst. Zig Stunden und viele Tage in dieser verdammten Werkstatt, und jetzt ist mehr kaputt als zuvor. Nase und Augen schmerzen von der verdammten Brille, an die ich mich nie gewöhnt habe, ich bin nervös, unzufrieden, mit Magendrücken versehen, etwas, das ich vorher kannte, und das in Ecuador bislang nie aufgetreten war. Was, verdammt noch mal ist los? Warum fühle ich mich gehetzt, unter Zeitdruck? Ich möchte mich ausheulen und aussprechen. Ich wollte, Bn. wäre jetzt hier. Sonntag, 20.10.1985, 18:30 Illiniza-Sur ist bestiegen, mit Ch.E. und R.R..        Er gilt als einer der technisch schwierigsten Berge von Ecuador. Bilderfilm Illiniza Sur Mittwoch, 23.10.1985, 20:30 Gestern Abend wurde auf meinen Kollegen Th. geschossen, als er seine Frau B. mit dem Auto vom Flughafen abholen wollte. Er geriet in eine Demonstration, die Demonstranten trommelten auf sein Auto ein, er reagierte unbeherrscht, und aus der Menge wurden zwei Schüsse abgefeuert, wovon einer die Scheibe durchschlug und der andere in die Karosserie eindrang. Augenscheinlich ein größeres Kaliber. Samstag, 2.11.1985, 19:30 Samstagabend: Müde und zerschlagen vom Fußballspielen. Schmerzen in der rechten Hand. Atembeschwerden. Keine Lust zu nichts. Leicht erkältet. Keine Lust rauszugehen: Quito ist tot. Keine Muße zum Briefeschreiben. Oder Berichte ins Tagebuch. Seit der Rückkehr aus Deutschland ist die Selbstdisziplin mangelhaft. Nicht mal Lust zum Saufen hab ich. Das Nervenkostüm hat noch immer einige Löcher. Es geht mir nicht schlecht, ganz gewiss nicht. Es fehlt mir aber was. Dienstag, 5.11.1985, 16:00 Im ersten Jahr in Ecuador war mir der Gedanke, das Land zu verlassen, meist völlig fremd. In einer Zukunft, einer nicht konkreten, sicherlich, aber doch weit weg, unwirklich. In den Ferien in Deutschland war die Rückkehr hierher so selbstverständlich, alle meine in Deutschland abgegebenen Berichte über das Land zuversichtlich und weitaus überwiegend positiv. Die Regenzeit hätte eigentlich schon einsetzen müssen, aber unverändert strahlt eine gleißende Sonne herab; nur etwas diesig ist es geworden. Es scheint von meinem Schreibtisch aus gesehen wie immer sehr ruhig draußen zu sein, aber mir kommt die Ruhe inzwischen trügerisch, fremd, unheimlich vor, so wie mir das ganze Land seit meiner Rückkehr nicht mehr interessant, exotisch und abenteuerlich vorkommt, sondern trügerisch, fremd und unheimlich. Es scheint mich abstoßen zu wollen. Ich glaube ich habe an einer Stelle mal erwähnt, dass hier Land und Leben gut und schön sind, wenn ich stark und gesund bin, bereit, den Schwierigkeiten zu begegnen, nach Möglichkeit positiv zu begegnen. Diese Bedingungen treffen im Moment nicht mehr zu. Wut und Resignation nehmen zu, und stärker subjektiv werdende Bewertungen. Ich sehe nicht mehr klar. Eine Reihe von Dingen hat mich verunsichert, meine Gelassenheit und Zuversicht geraubt. Der Gedanke, dem Land den Rücken zu kehren, ist nicht mehr so fremd wie früher. B. hat gerade angerufen. 20:00 B. kommt früher! Vermutlich Ende Januar. Drei Monate früher.
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