Sonntag, 23.9.1984, 9:30
Sonntagmorgen, endlich scheint die Sonne, und die Welt sieht schon wesentlich freundlicher
aus. Ich lerne Spanisch auf dem Balkon des Hotelzimmers (me estoy aprendiendo). Das
Problem ist, aber das war schon vor Reiseantritt klar, das Alleinsein. Es macht nicht viel Spaß,
die (heute schon freundlicher aussehende) Stadt allein anzuschauen.
Vielleicht hat die Kollegin Ia. Lust.
11:30
Die ist gerade mit jemanden weggefahren, vielleicht zieht sie in ihre neue Wohnung ein.
Verdammt langweilig hier. Essen und schlafen.
Scheint die Sonne, wird es sehr schnell heiß, die Sonne sticht regelrecht. Sobald es aber
bedeckt ist, wird es sofort kühl, und es kommt Wind auf.
21:00
Langweiliges Hotel. Nicht mal eine Bar. Zwei junge Amerikanerinnen mit ihrem Vater beim
Abendessen. Balkonbrüste. Ich vermisse.
Montag, 24.9.1984, 8:30
Herbst und Winter, zwei Jahreszeiten, die ich nie besonders geschätzt habe, werde ich
vermutlich vermissen. Viele Dinge muss man erst missen, bevor man ihren Wert schätzen
kann. Das gilt für Lebensumstände wie für Menschen. Auch in diese Hinsicht werden die zwei
Jahre Wissen und Erfahrung bringen.
14:30
Schnupfen, Frösteln.
Mein Stundenplan weicht erheblich von der voraussichtlichen Unterrichtsverteilung, die mir Dr.
Fo. zugeschickt hatte, ab. Eigentlich ein ganz anderer. Wesentlich ungünstiger. Nur zwei
Parallelklassen.
Mittwoch, 26.9.1984, 16:00
Drei „Apartamentos“ habe ich mir angesehen; bei zweien ging Herr Dr. Fo. mit, der mich auch
ansonsten unterstützt, mir reinhilft, und bisher fast immer belebend auf mich wirkt.
Heute ging ich mit einer (mir unsympathischen) Maklerin zu einem möblierten Apartamento.
Es hatte zwar gerade die richtige Größe, sagt mir aber dennoch nicht zu. Wahrscheinlich sind
es die wulstigen Kunstledermöbel, die mich unangenehm an meine Kurztätigkeit im
Landerziehungsheim in Hessen erinnern, oder die schlauchartige Form, oder die Lage ziemlich
weit weg von der Schule, oder die Vermieterin, was weiß ich. Ich werde eine unmöblierte
Wohnung nehmen. Eine Ungerechtigkeit, was im Vergleich zu mir die amtlich vermittelten
Lehrkräfte verdienen und was sie an Möbeln mitnehmen konnten! Ich werde Möbel und Geräte
kaufen müssen, und alles ist hier unglaublich teuer. Und Spanisch kann ich auch nicht. Mal
sehen. Tisch, Stuhl, Kochplatte und Wassertopf brauche ich auf jeden Fall zunächst.
Hoffentlich haut es in der Schule hin, vor allem in den ecuadorianischen Klassen mit ihren
geringen Deutschkenntnissen, v.a. im Kurs IVB, in dem ich fünf Wochenstunden Biologie habe,
und wo vor allem Anatomie, nicht mein Lieblingsgebiet, unterrichtet werden soll! Mal sehen.
Am Montag soll der Unterricht beginnen, und in den naturwissenschaftlichen Räumen sieht es
noch aus wie in einem Rohbau.
Der Kollege Zi., der den Ausbau der Naturwissenschaften wesentlich begleitet hat, liegt ganz
offensichtlich im Clinch mit Fo. Ich muss aufpassen, hier nicht zwischen die Fronten zu
geraten; mir selbst meine persönliche Meinung zu bilden.
Der Ehrgeiz, oder wie es hier ausgedrückt wurde, die Pingeligkeit von Fo. scheint einigen nicht
zu liegen.
18:30
Ich esse seit langem nicht mehr gern allein. Hier ist es die meiste Zeit der Fall.
Donnerstag, 27.9.1984, 16:00
Seit kaum einer Stunde sitze ich vor der Unterrichtsvorbereitung, und schon beginne ich Nägel
abzukauen. Ein Unding. Aber gleich zu Beginn tauchen mannigfaltige Probleme auf, wenn man
ein deutsches Biologieschulbuch in Ecuador verwendet.
18:00
Das Vorbereiten geht (da noch ohne Zeitdruck?) ganz gut.
Ich würde verdammt gern mal mit jemandem schwäbisch schwätzen!
Siegfried
Trapp
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