Über Deutschland oder Frankreich, Sonntag, 20.09.1985, 12:00 Wieder in der 747, jedoch mit dem Flug von vor einem Jahr nicht zu vergleichen. Gewohnt, vertraut; entspannt. Das Mittagessen ist im Anrollen, draußen schönes Wetter, nach dem Essen läuft „Amadeus“: Den zu sehen hatte ich in Deutschland verpasst. Alles in Butter! Gestern Nacht in der Halle von Lautern traf ich noch Se. S.; ihr Gesicht will mir bisher nicht verblassen. Und: Bn. hatte aus Kapstadt angerufen, auf meinen Brief hin, zweimal rief ich sie dann noch an, es war so nah, wie wenn wir vor einer Woche zum letzten Mal miteinander gesprochen hätten, ein Phänomen, nach eineinhalb Jahren! Sie wird Ende April nach Quito kommen. Ich fühle mich gerade phantastisch. Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman im Kopfhörer: Beethovens Romanze Nr.2 F-Dur. In eine Opernsängerin könnte ich mich auch verlieben. Eine Arie aus Verdis „Troubador“, gesungen von Anna Moffo, höre ich gerade. Und ich denke an ein Fernsehspiel, mit einer Opernsängerin als sehnsüchtige Schäferin, Hotels, wandern durch eine abendliche russische Stadt, das Zimmer, die Sehnsucht. Das Reich der Sehnsucht. 19:00 MEZ Anflug auf San Juan/Puerto Rico. „Amadeus“: Über weite Strecken klischeehaft, fast schon ins Kitschige reingreifend (die breit ausgetretene Beerdigung im Regen!). Regie und Kameraführung bisweilen wie in einem Amerikanischenbüchsenfraßfernsehfilm. Am besten gefiel mir die Szene der „Don Giovanni“-Aufführung. Großer Lebenshunger hat mich in den letzten Wochen erfasst. Ein Nachtrag vom Montag, 09.09., 00:00 Uhr, in meinem Notzimmer in der Uhlandstraße verfasst, dem Zimmer, in dem die Depressionen und Hoffnungslosigkeiten vor der Radreise Frankreich/Spanien auf 12 qm konzentriert waren, auf einem Notizzettel: „Schmökere gerade in alten Tagebüchern und Briefen aus der C.-Endphase: xxxxx xxxx xxxx xxx xxxxxx xxxxx. xxx xxxxxxxxx xxxxx xxx xxxx xxxxxx xxxxxxxxxx , xxxx xxxxxx xxxxxxxxxx xxxxxxx, xxx xxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx. xxx xxx xxxx xxxxxxx xxx, xxxx xxx xxxxx xxxxxx. Es ist mir heute nicht mehr begreiflich, wie ich so gutgläubig und naiv sein konnte!!“ Und vom 11.09., 21:30: „Seit Tagen fühle ich mich unendlich einsam. Hier bin ich einsamer als in Ecuador. Was ich brauche, ist ein Mädchen, eine Frau, um sich ein wenig zu verlieben, ich bin rastlos und unzufrieden, verunsichere mehr und mehr. Das Reden mit Männern langweilt mich, bzw. ich kenne hier keinen, mit dem es mich nicht langweilt und nervt, dann der ständige Alkohol in den Kneipen, der mich am nächsten Tag geil macht und keine Befriedigung verschafft, verdammt wann wird das alles enden, verdammt, verdammt. Ich weiß nicht mehr was ich die restliche Zeit hier tun soll. Ohne Auto bin ich in diesem Kaff gefangen, ich muss hier raus.“ Geschrieben hatte ich dies am Mittwoch, am Donnerstag fasste ich den Beschluss nach Barcelona zu fahren, am Samstag setzte ich ihn in die Tat um. San Juan /Puerto Rico, 20:30 MEZ Ich wünschte, Bn. würde jetzt gleichzeitig mit mir in Quito eintreffen. Über Curaçao, 15:30 Ortszeit Andererseits vermittelt „Amadeus“ doch etwas von dem, was man unter Genie versteht, über die Vorstellungskraft hinausgehende Fertigkeiten, einfach nicht zu verstehen, wie ein Schachspieler, der gegen 30 Gegner gleichzeitig spielt. Ohne ein einziges Schachbrett zu sehen. Abnorme Speicherkapazitäten des Gehirns. Quito, Dienstag, 24.09.1985, 18:00 Schade dass Bn. nicht da ist! Die letzte Ferienwoche, die neue Eingewöhnung, das Ambiente hier, ich möchte es mit ihr teilen. Ich fühle mich gut. Ich würde mich dann noch besser fühlen. Am Sonntag, ich war gerade ein halbes Stündchen in der Wohnung, hatte K. angerufen. Da mein Boiler während des Deutschlandaufenthalts abgeschaltet war, hatte ich kein warmes Wasser, so duschte ich bei ihr. Sie war am Vorabend von einer Reise durch Chile-Bolivien- Peru zurückgekommen, wir erzählten. Gegen 23 Uhr war es für mich 6 Uhr morgens, ich war 24 Stunden auf den Beinen, Zeit fürs Bett. Ich entschied mich für K.s warmes Federbett und vor allem für K.s Wärme und Nähe. Streicheln, Küsse, Petting, vielleicht anderthalb Stunden, K.s Vorbehalte gegen die Immisio (4) wie die beiden Male zuvor, dann schliefen wir. Um sechs Uhr begann alles noch mal von vorn, und erst als ich nicht mehr drängte, (5). Mit C. war es das gleiche Malheur bisweilen. Mit B. nicht. Nichtsdestotrotz, wir hatten uns gut unterhalten, gut unterhalten auch über Sex, Zärtlichkeit. So einfach und so kompliziert, besteht letztendlich das Problem darin, dass sie in mich verliebt ist, mehr von mir haben möchte, und ich sie gern habe, gerne mit ihr ab und zu was unternehme, ab und zu mit ihr essen gehen, ab und zu mit ihr schlafen möchte. Keineswegs soll verschwiegen werden, dass letzteres meiner Natur gemäß wahrscheinlich die größte Rolle spielt. Mir tut die Empfindung (6) unendlich wohl, und ich brauche genauso notwendig Zärtlichkeiten, Streicheln, warme Lippen. Wer nicht. Wie wichtig letzteres ist, ist mir noch einmal nach den fünf Bordell-Besuchen der letzten zwei Monate bewusst worden. Ein kalter Fick bringt unter Umständen weniger als eine gute Masturbation. Ohne das Gefühl, dass der Andere einen gern hat und dass es ihm Freude bereitet (und hier kann man so gut wie nix vorspielen) ist das ein leerer Vorgang. Meinetwegen auch Leer-Vorgang. Zu den Bordellbesuchen: Berlin und Braunschweig waren ausschließlich kalter Nepp. Barcelona war wesentlich besser, viel mehr Wärme. Interessant noch die Kriterien, nach denen ich in Barcelona ausgesucht hatte. Die erste: Das Gesicht wollte mir lange Zeit nicht zusagen, es hatte einen harten Zug, trotz ihrer erst etwa 25 Jahre. Schließlich siegten ihre phantastische Oberweite und ihr Äpfel-Pflaumen-Hintern. Trotz der ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmale kam (7). Erklärend muss dazu gefügt werden, dass ich auf den „Ramblas“, lesend oder schreibend oder walkmanmusikhörend auf einem Korbsessel gegenüber der betreffenden Straße saß, Cervezas trank und genügend Muße hatte, eine Beischläferin auszuwählen.
Siegfried Trapp
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Über Deutschland oder Frankreich, Sonntag, 20.09.1985, 12:00 Wieder in der 747, jedoch mit dem Flug von vor einem Jahr nicht zu vergleichen. Gewohnt, vertraut; entspannt. Das Mittagessen ist im Anrollen, draußen schönes Wetter, nach dem Essen läuft „Amadeus“: Den zu sehen hatte ich in Deutschland verpasst. Alles in Butter! Gestern Nacht in der Halle von Lautern traf ich noch Se. S.; ihr Gesicht will mir bisher nicht verblassen. Und: Bn. hatte aus Kapstadt angerufen, auf meinen Brief hin, zweimal rief ich sie dann noch an, es war so nah, wie wenn wir vor einer Woche zum letzten Mal miteinander gesprochen hätten, ein Phänomen, nach eineinhalb Jahren! Sie wird Ende April nach Quito kommen. Ich fühle mich gerade phantastisch. Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman im Kopfhörer: Beethovens Romanze Nr.2 F-Dur. In eine Opernsängerin könnte ich mich auch verlieben. Eine Arie aus Verdis „Troubador“, gesungen von Anna Moffo, höre ich gerade. Und ich denke an ein Fernsehspiel, mit einer Opernsängerin als sehnsüchtige Schäferin, Hotels, wandern durch eine abendliche russische Stadt, das Zimmer, die Sehnsucht. Das Reich der Sehnsucht. 19:00 MEZ Anflug auf San Juan/Puerto Rico. „Amadeus“: Über weite Strecken klischeehaft, fast schon ins Kitschige reingreifend (die breit ausgetretene Beerdigung im Regen!). Regie und Kameraführung bisweilen wie in einem Amerikanischenbüchsenfraßfernsehfilm. Am besten gefiel mir die Szene der „Don Giovanni“-Aufführung. Großer Lebenshunger hat mich in den letzten Wochen erfasst. Ein Nachtrag vom Montag, 09.09., 00:00 Uhr, in meinem Notzimmer in der Uhlandstraße verfasst, dem Zimmer, in dem die Depressionen und Hoffnungslosigkeiten vor der Radreise Frankreich/Spanien auf 12 qm konzentriert waren, auf einem Notizzettel: „Schmökere gerade in alten Tagebüchern und Briefen aus der C.- Endphase: xxxxx xxxx xxxx xxx xxxxxx xxxxx. xxx xxxxxxxxx xxxxx xxx xxxx xxxxxx xxxxxxxxxx , xxxx xxxxxx xxxxxxxxxx xxxxxxx, xxx xxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx. xxx xxx xxxx xxxxxxx xxx, xxxx xxx xxxxx xxxxxx. Es ist mir heute nicht mehr begreiflich, wie ich so gutgläubig und naiv sein konnte!!“ Und vom 11.09., 21:30: „Seit Tagen fühle ich mich unendlich einsam. Hier bin ich einsamer als in Ecuador. Was ich brauche, ist ein Mädchen, eine Frau, um sich ein wenig zu verlieben, ich bin rastlos und unzufrieden, verunsichere mehr und mehr. Das Reden mit Männern langweilt mich, bzw. ich kenne hier keinen, mit dem es mich nicht langweilt und nervt, dann der ständige Alkohol in den Kneipen, der mich am nächsten Tag geil macht und keine Befriedigung verschafft, verdammt wann wird das alles enden, verdammt, verdammt. Ich weiß nicht mehr was ich die restliche Zeit hier tun soll. Ohne Auto bin ich in diesem Kaff gefangen, ich muss hier raus.“ Geschrieben hatte ich dies am Mittwoch, am Donnerstag fasste ich den Beschluss nach Barcelona zu fahren, am Samstag setzte ich ihn in die Tat um. San Juan /Puerto Rico, 20:30 MEZ Ich wünschte, Bn. würde jetzt gleichzeitig mit mir in Quito eintreffen. Über Curaçao, 15:30 Ortszeit Andererseits vermittelt „Amadeus“ doch etwas von dem, was man unter Genie versteht, über die Vorstellungskraft hinausgehende Fertigkeiten, einfach nicht zu verstehen, wie ein Schachspieler, der gegen 30 Gegner gleichzeitig spielt. Ohne ein einziges Schachbrett zu sehen. Abnorme Speicherkapazitäten des Gehirns. Quito, Dienstag, 24.09.1985, 18:00 Schade dass Bn. nicht da ist! Die letzte Ferienwoche, die neue Eingewöhnung, das Ambiente hier, ich möchte es mit ihr teilen. Ich fühle mich gut. Ich würde mich dann noch besser fühlen. Am Sonntag, ich war gerade ein halbes Stündchen in der Wohnung, hatte K. angerufen. Da mein Boiler während des Deutschlandaufenthalts abgeschaltet war, hatte ich kein warmes Wasser, so duschte ich bei ihr. Sie war am Vorabend von einer Reise durch Chile-Bolivien- Peru zurückgekommen, wir erzählten. Gegen 23 Uhr war es für mich 6 Uhr morgens, ich war 24 Stunden auf den Beinen, Zeit fürs Bett. Ich entschied mich für K.s warmes Federbett und vor allem für K.s Wärme und Nähe. Streicheln, Küsse, Petting, vielleicht anderthalb Stunden, K.s Vorbehalte gegen die Immisio (4), wie die beiden Male zuvor, dann schliefen wir. Um sechs Uhr begann alles noch mal von vorn, und erst als ich nicht mehr drängte (5). Mit C. war es das gleiche Malheur bisweilen. Mit B. nicht. Nichtsdestotrotz, wir hatten uns gut unterhalten, gut unterhalten auch über Sex, Zärtlichkeit. So einfach und so kompliziert, besteht letztendlich das Problem darin, dass sie in mich verliebt ist, mehr von mir haben möchte, und ich sie gern habe, gerne mit ihr ab und zu was unternehme, ab und zu mit ihr essen gehen, ab und zu mit ihr schlafen möchte. Keineswegs soll verschwiegen werden, dass letzteres meiner Natur gemäß wahrscheinlich die größte Rolle spielt. Mir tut die Empfindung (6) unendlich wohl, und ich brauche genauso notwendig Zärtlichkeiten, Streicheln, warme Lippen. Wer nicht. Wie wichtig letzteres ist, ist mir noch einmal nach den fünf Bordell-Besuchen der letzten zwei Monate bewusst worden. Ein kalter Fick bringt unter Umständen weniger als eine gute Masturbation. Ohne das Gefühl, dass der Andere einen gern hat und dass es ihm Freude bereitet (und hier kann man so gut wie nix vorspielen) ist das ein leerer Vorgang. Meinetwegen auch Leer-Vorgang. Zu den Bordellbesuchen: Berlin und Braunschweig waren ausschließlich kalter Nepp. Barcelona war wesentlich besser, viel mehr Wärme. Interessant noch die Kriterien, nach denen ich in Barcelona ausgesucht hatte. Die erste: Das Gesicht wollte mir lange Zeit nicht zusagen, es hatte einen harten Zug, trotz ihrer erst etwa 25 Jahre. Schließlich siegten ihre phantastische Oberweite und ihr Äpfel-Pflaumen-Hintern. Trotz der ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmale kam (7). Erklärend muss dazu gefügt werden, dass ich auf den „Ramblas“, lesend oder schreibend oder walkmanmusikhörend auf einem Korbsessel gegenüber der betreffenden Straße saß, Cervezas trank und genügend Muße hatte, eine Beischläferin auszuwählen.
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