Mittwoch, 2.1.1985, 9:00 So. und Ro. haben eben angerufen und zum Geburtstag gratuliert; ein schöner Beginn für einen Tag, der Quito mit einem reinblauen Himmel überspannt. Nur über dem Cotopaxi, der grade so über die Häuser lugt, schwebt ein Wölkchen. Sylvester habe ich mit den Eltern telefoniert, für mich ist alles so nah und selbstverständlich, nur das Schwäbische ist schon leicht ungewohnt. Für die in Deutschland zurückgebliebenen ist alles viel fremder und unheimlicher, und Mutter kämpfte auch mal mit den Tränen. 10:00 Ich bin seit Tagen oder vielleicht auch Wochen nervlich sehr angespannt und voll unterdrückter Aggressivität. Es kommt die alte Frage auf: Induziert der verkorkste Magen die Nervosität oder ist es umgekehrt? Und welche Rolle spielen Alleinsein und fehlende psychosexuelle Hygiene? Samstag, 5.1.1985, 13:00 Alexis Sorbas : „What the hell ist the use of all your damned books?” “They tell me about the agony of man.” I leb und weiß net wie lang I sterb und weiß net wann I fahr und weiß net wohin Mich wundert dass i so fröhlich bin. 17:30 Nach zwei Wochen Ferien, nachdem sie jetzt zu Ende sind, bricht jetzt ein Freiseinwollengefühl bei mir durch, ich möchte weg, tausend Dinge erleben, leben, vor Kraft und Freude rennen, tanzen, bumsen, saufen. Wenn am Montag nicht Generalstreik ist, beginnt wieder die Arbeit in der Schule. 21:00 Als ich eben einen Brief an Se. vollendete, lief Union Gap´s „Young Girl (get out of my mind)“.   Zufall oder Notwendigkeit? Sonntag, 6.1.1985, 6:00 Zwei sehr wirre Träume haben mich aufgeweckt, zwei Träume von heftiger, unbefriedigter Sexualität, sehr heftiger, sehr unbefriedigter Sexualität. Der erste Traum: Ein Saal mit Matratzen und jungen Leuten, drei Schwestern (oder Freundinnen) neben mir, alle drei gefallen mir aus irgendeinem Grund nicht, bei zweien ist es das Gesicht, bei einer der mir zu kleine Busen. Ich suche Wärme und Nähe, und ich nehme die Schlanke mit dem kleinen Busen, mit schwarzem Haar und sehr jung. Es wird ein Theaterstück mit pornographischen Teilen gezeigt, ich halte das Mädchen fest und suche Schutz und Wärme, habe heftige Erektionen, die von ihr und ihren Schwestern (oder Freundinnen) registriert werden, das ist frei und ganz normal, aber auch alles: Es kommt zu keinem Ausleben der Sexualität. Der zweite Traum ist schlimmer und wirrer: Er verquickt ein kompliziertes Gefüge von Ca. und von der frühen Heubacher Schulzeit, etwa die 8. bis 10. Klasse, es spielt sich in dem Klassenzimmer unter dem Zeichensaal ab. Ein wirres Gefüge aus Eifersucht auf verschiedene Bezugspersonen von ihr, verursacht durch ihr hemmungsloses Ausleben der Sexualität, wobei sie scheinbar ohne tieferes Verhältnis zwischen anderen, die mir fremd sind und bleiben, und mir hin und her schwankt. Es erscheinen internatsähnliche Zimmer mit Lauschaktionen an den Türen, wobei ich mich einmal flüchtig lauschend vor einer Tür sehe, und ein andermal, wie sie vermutet, dass ich vor der Tür stehe, und das  es für mich besser wäre, wenn es nicht der Fall wäre. Auch in diesem Traum bleibe ich grenzenlos unbefriedigt. Leider schwinden allmählich die Erinnerungen an diese zwei Träume. Es folgten im Traum noch mein Zuspätkommen für einen Jahresklassenausflug, wie es mir einmal widerfahren war, im ersten oder zweiten Jahre am Gymnasium, als ich in Lautern von einem Auto erfasst wurde, während ich mit dem Fahrrad nach Heubach zur Schule unterwegs war. Damals wurde ich beim Gasthaus „Krone“ mehrere Meter weit geschleudert, fiel glücklicherweise auf das Hinterteil (ein blauer Fleck an der Stelle, wo ich die Geldbörse stecken hatte), holte das demolierte Fahrrad, radelte nach Heubach, der Bus zum Ausflug (ich hatte mich so sehr auf den Ausflug gefreut, dass ich am Abend vorher lange nicht einschlafen konnte) stand noch, ich stellte das Rad ab, ging auf den Bus zu, war auf der Höhe des Hinterrads des Busses, da fuhr er ab. Hätte mich der Fahrer nicht im Rückspiegel sehen müssen? Gab der Klassenlehrer das Kommando, um mir eine Lektion zu erteilen, abzufahren? Dann erscheint ein ebenerdiger Raum, in dem mein Tonbandgerät steht, die roten Lichtpunkte meiner Aktivlautsprecherboxen leuchten oben an einem Gartenzaun, es ist das Gartenstück gegenüber unserem Haus in Bächingen, es ist der Zaun zur Straße, dort wartet wieder der Schulbus. Diesmal fahre ich mit, er hält in Heubach, es ist noch dunkle Nacht. Ich bin allein im Klassenzimmer, voll verzweifelter Geilheit, und (2). Plötzlich wird mir bewusst, dass ich von einem Fenster her voll einsehbar bin, ein Fenster, das nach hinten raus ins Gebüsch führt. Im gegenüberliegenden spiegelnden Fenster erkenne ich im Gebüsch tatsächlich jemanden, der mich beobachtet. Es ist Ca., und sie hat zwei sehr junge, vielleicht sechzehnjährige Mädchen dabei. Später werde ich erfahren, dass sie dabei sind, damit sie „das“ sehen können. Es ist immer noch Nacht, ein dunkler Herbst- oder Wintermorgen, sie kommt allein in den Raum, die Mädchen sind weg. Obwohl unser Verhältnis auch im Traum nicht mehr besteht und schon eine längere Trennungszeit vorhanden ist, in der sie (ob auch ich, ist verblasst) mehrere andere Geschlechtspartner hatte, kommt sie auf mich zu, die letzten zwei Meter legt sie in ihrer weißen Unterhose zurück, (3). Das befreit mich aus meinem Dilemma, sie verstandesmäßig abzulehnen aber körperlich zu begehren, und ich wehre sie ab. Hier endet die Erinnerung.
Siegfried Trapp
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Mittwoch, 2.1.1985, 9:00 So. und Ro. haben eben angerufen und zum Geburtstag gratuliert; ein schöner Beginn für einen Tag, der Quito mit einem reinblauen Himmel überspannt. Nur über dem Cotopaxi, der grade so über die Häuser lugt, schwebt ein Wölkchen. Sylvester habe ich mit den Eltern telefoniert, für mich ist alles so nah und selbstverständlich, nur das Schwäbische ist schon leicht ungewohnt. Für die in Deutschland zurückgebliebenen ist alles viel fremder und unheimlicher, und Mutter kämpfte auch mal mit den Tränen. 10:00 Ich bin seit Tagen oder vielleicht auch Wochen nervlich sehr angespannt und voll unterdrückter Aggressivität. Es kommt die alte Frage auf: Induziert der verkorkste Magen die Nervosität oder ist es umgekehrt? Und welche Rolle spielen Alleinsein und fehlende psychosexuelle Hygiene? Samstag, 5.1.1985, 13:00 Alexis Sorbas : „What the hell ist the use of all your damned books?” “They tell me about the agony of man.” I leb und weiß net wie lang I sterb und weiß net wann I fahr und weiß net wohin Mich wundert dass i so fröhlich bin. 17:30 Nach zwei Wochen Ferien, nachdem sie jetzt zu Ende sind, bricht jetzt ein Freiseinwollengefühl bei mir durch, ich möchte weg, tausend Dinge erleben, leben, vor Kraft und Freude rennen, tanzen, bumsen, saufen. Wenn am Montag nicht Generalstreik ist, beginnt wieder die Arbeit in der Schule. 21:00 Als ich eben einen Brief an Re. vollendete, lief Union Gap´s „Young Girl (get out of my mind)“.   Zufall oder Notwendigkeit? Sonntag, 6.1.1985, 6:00 Zwei sehr wirre Träume haben mich aufgeweckt, zwei Träume von heftiger, unbefriedigter Sexualität, sehr heftiger, sehr unbefriedigter Sexualität. Der erste Traum: Ein Saal mit Matratzen und jungen Leuten, drei Schwestern (oder Freundinnen) neben mir, alle drei gefallen mir aus irgendeinem Grund nicht, bei zweien ist es das Gesicht, bei einer der mir zu kleine Busen. Ich suche Wärme und Nähe, und ich nehme die Schlanke mit dem kleinen Busen, mit schwarzem Haar und sehr jung. Es wird ein Theaterstück mit pornographischen Teilen gezeigt, ich halte das Mädchen fest und suche Schutz und Wärme, habe heftige Erektionen, die von ihr und ihren Schwestern (oder Freundinnen) registriert werden, das ist frei und ganz normal, aber auch alles: Es kommt zu keinem Ausleben der Sexualität. Der zweite Traum ist schlimmer und wirrer: Er verquickt ein kompliziertes Gefüge von Ca. und von der frühen Heubacher Schulzeit, etwa die 8. bis 10. Klasse, es spielt sich in dem Klassenzimmer unter dem Zeichensaal ab. Ein wirres Gefüge aus Eifersucht auf verschiedene Bezugspersonen von ihr, verursacht durch ihr hemmungsloses Ausleben der Sexualität, wobei sie scheinbar ohne tieferes Verhältnis zwischen anderen, die mir fremd sind und bleiben, und mir hin und her schwankt. Es erscheinen internatsähnliche Zimmer mit Lauschaktionen an den Türen, wobei ich mich einmal flüchtig lauschend vor einer Tür sehe, und ein andermal, wie sie vermutet, dass ich vor der Tür stehe, und das  es für mich besser wäre, wenn es nicht der Fall wäre. Auch in diesem Traum bleibe ich grenzenlos unbefriedigt. Leider schwinden allmählich die Erinnerungen an diese zwei Träume. Es folgten im Traum noch mein Zuspätkommen für einen Jahresklassenausflug, wie es mir einmal widerfahren war, im ersten oder zweiten Jahre am Gymnasium, als ich in Lautern von einem Auto erfasst wurde, während ich mit dem Fahrrad nach Heubach zur Schule unterwegs war. Damals wurde ich beim Gasthaus „Krone“ mehrere Meter weit geschleudert, fiel glücklicherweise auf das Hinterteil (ein blauer Fleck an der Stelle, wo ich die Geldbörse stecken hatte), holte das demolierte Fahrrad, radelte nach Heubach, der Bus zum Ausflug (ich hatte mich so sehr auf den Ausflug gefreut, dass ich am Abend vorher lange nicht einschlafen konnte) stand noch, ich stellte das Rad ab, ging auf den Bus zu, war auf der Höhe des Hinterrads des Busses, da fuhr er ab. Hätte mich der Fahrer nicht im Rückspiegel sehen müssen? Gab der Klassenlehrer das Kommando, um mir eine Lektion zu erteilen, abzufahren? Dann erscheint ein ebenerdiger Raum, in dem mein Tonbandgerät steht, die roten Lichtpunkte meiner Aktivlautsprecherboxen leuchten oben an einem Gartenzaun, es ist das Gartenstück gegenüber unserem Haus in Bächingen, es ist der Zaun zur Straße, dort wartet wieder der Schulbus. Diesmal fahre ich mit, er hält in Heubach, es ist noch dunkle Nacht. Ich bin allein im Klassenzimmer, voll verzweifelter Geilheit, und (2). Plötzlich wird mir bewusst, dass ich von einem Fenster her voll einsehbar bin, ein Fenster, das nach hinten raus ins Gebüsch führt. Im gegenüberliegenden spiegelnden Fenster erkenne ich im Gebüsch tatsächlich jemanden, der mich beobachtet. Es ist Ca., und sie hat zwei sehr junge, vielleicht sechzehnjährige Mädchen dabei. Später werde ich erfahren, dass sie dabei sind, damit sie „das“ sehen können. Es ist immer noch Nacht, ein dunkler Herbst- oder Wintermorgen, sie kommt allein in den Raum, die Mädchen sind weg. Obwohl unser Verhältnis auch im Traum nicht mehr besteht und schon eine längere Trennungszeit vorhanden ist, in der sie (ob auch ich, ist verblasst) mehrere andere Geschlechtspartner hatte, kommt sie auf mich zu, die letzten zwei Meter legt sie in ihrer weißen Unterhose zurück, (3). Das befreit mich aus meinem Dilemma, sie verstandesmäßig abzulehnen aber körperlich zu begehren, und ich wehre sie ab. Hier endet die Erinnerung.
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