Derselbe Ort, Donnerstag, 21.04.1983, 17:30
Gestern Abend spielte ich noch etwas Gitarre, schlecht, lustlos, aber ich wusste nichts
besseres anzufangen. Regelrecht kalt wurde es auch noch. Zu dem Ganzen trank ich noch
einen dreiviertel Liter Vin rouge, der nicht schmeckte.
Heute morgen war dann der Magen endgültig verdorben, nachdem er er sich schon seit ein
paar Tagen immer wieder unschön in Szene gesetzt hatte. Dazu passte, dass der Himmel
immer noch vollständig bedeckt war. Zum Duschen und Wäschewaschen musste ich mich
durchringen. Da war mir klar, dass aus der Arles-Besichtigung heute nichts werden würde,
ich somit hier geschlagene drei Tage sein werde, obwohl mir der Campingplatz nicht
behagt, viele Deutsche vom weiter oben beschriebenen Typ.
Die Wäsche hing bei starkem Wind grade eben zwei Stunden, war schon recht trocken, als
es zu regnen anfing.
Seither regnets.
Zwei Nürnberger Motorradfahrern ist die Wetterlage zu bunt (!) geworden, sie sind ab nach
Spanien. Angeblich soll aber im gesamten Mittelmeerraum, einschließlich Marokko,
schlechtes Wetter sein.
Allmählich stinkt mir das Wetter, außer Regen gibt’s noch die Kälte dazu. Angeblich
ungewöhnlich für den Landstrich. Verdammtes, elendes Pech mit dem Wetter!
Derselbe Ort, Freitag, 22.04.1983, 18:00
Gestern Abend unterhielt ich mich etwas länger mit einem jungen Studenten der
Verfahrenstechnik aus Heilbronn, der ebenfalls allein reist und noch eine Radtour durch das
Jura machen möchte. Gesprächsthema unter allen hier: Das Wetter.
Am Abend klarte es völlig auf. Dabei wurde es wieder kalt, vielleicht +5 bis +8 °C.
Später spielte ich, es war völlig windstill, noch allein für mich Gitarre; der Campingplatz lag
dunkel und völlig ruhig.
Heute morgen schaute die Sonne zur Entlüftungsöffnung ins Zelt hinein; der Himmel war
wolkenlos.
Warm war es allerdings keineswegs.
Ich nahm mein Paket und trat den anderthalb Kilometer Fußweg in
die Stadt an. Dort erstand ich Packpapier, wickelte das Paket so
recht und schlecht auf einer Parkbank ein und trugs zur Post. Damit
war ich 4,3 kg Gewicht los, die auch bezahlt werden mussten. Auch
sonst brachte der Tag noch zu viele Ausgaben für mein schmales
Budget: Ein recht fettes Essen, das mein Magen erstaunlich gut
annahm, der Lebensmittelhändler, und Eintrittsgelder.
Die römische Arena in Arles ist von ganz anderer Art als
das Theater in Orange, ich würde sagen: weniger
pompös und mehr volkstümlich. Das Theater hier liegt
fast ganz in Trümmern, ich habs mir nur von außen
angeschaut. Auch der Kreuzgang in der Kathedrale St.
Trophime (12./15. Jh.) lohnte, auch wenn ich nicht, wie
der Reiseführer, das Adjektiv prachtvoll verwenden würde. Angenehm um
diese Jahreszeit: Nicht all zu viele Touristen, die Atmosphären oder
Stimmungen trüben könnten.
Heute Abend ist der Himmel wieder bedeckt. Schlimmer ist, dass ein kalter starker
Südostwind bläst.
St. Maries de la Mer, Samstag, 23.04.1983, 20:00
Nach Einbruch der Dunkelheit fiel gestern Abend noch ein Rotte jugendlicher Italiener ein,
gegen 25 Köpfe mochte sie gezählt haben, rucksackbepackt. Sie verhielten sich so, wie
man es von ihnen erwartet hätte, und das bis gegen 0:30 und ab 7:00 Uhr wieder.
Die Nacht über und am Morgen wehte ein starker Wind. Wiederum verursachte mein
Magen nach dem Aufwachen Probleme und trug neben dem bedeckten Himmel zu einer
starken inneren Gereiztheit bei.
In Arles war Markt, die Fahrt durch die Stadt nicht einfach. Der Wind blies stark von SSO.
Neununddreissig Kilometer war die Etappenlänge; die Hälfte davon Richtung SSW, die
andere Hälfte SSO.
Zwischendurch peitschte ein eiskalter Regen. Die Camargue erwies sich als flach und
langweilig. Durch Wind und Regen war die Radfahrerei zur Torture de France avanciert.
Überall längs der Straße hingen Hinweise auf die „Promenade du
cheval“.
Ein paar schmutzigweiße Pferde stellten ihr Hinterteil gegen den
Wind.
Einige Kilometer weiter musste ich wieder aufgrund des heftigen
Gegenwindes auf freier ebener Strecke schieben.
Derselbe Ort, Sonntag, 24.04.1983, 19:00
Gestern spielte sich beim Zeltaufbau noch so ein Ding ab: Das Innenzelt ging auf die Reise.
Der Wind blies so stark, dass ich, um das Außenzelt über zu werfen, zunächst das
Innenzelt mit zwei Heringen sichern musste. Zwei waren zu wenig. Das Innenzelt samt
Gestänge riss sich los, segelte über die etwa 1,30m hohe Hecke, knapp über das Auto der
Nachbarn, weiter über drei weitere hohe Hecken. Nach etwa 70 m erwischte ich es wieder
und brachte es mit größter Kraftanstrengung gegen den Wind zurück.
Später brach ein heftiges Gewitter los. Der Regen prasselte
nur so herunter, der Boden war im Nu überschwemmt,
Bäche rannen unter dem Innenzelt hindurch. Alles blieb
trocken bei mir; nicht so bei einigen Anderen, wie ein
anschließender Rundgang ergab.
Das vorstehend schon erwähnte Nachbarsauto wird von
zwei Schwestern chauffiert; eine kam zu mir ins Zelt, wir
unterhielten uns vielleicht zwei Stunden. Dabei erwischte
ich, so eigentlich nicht beabsichtigt, eindreiviertel Liter Wein und war zum
Ende so indisponiert, dass dass ich einen Gitarrenspielversuch nach vier Griffen abbrechen
musste: Alle vier Griffe gingen daneben.
Sie war nicht mein Typ, und so bin ich heute froh, dass sie mein noch vorgebrachtes
Angebot, bei mir im Zelt zu übernachten, ausschlug.
Heute morgen: Stark verkatert, naturellement. Es dauerte bis vier Uhr nachmittags, bis ich
mich zur Ortsbesichtigung aufraffen konnte. Das Dorf war schon um diese Jahreszeit mit
Touristen voll gestopft, fast nur Franzosen, daneben erstaunlich viele Italiener, alle
Touristenläden weit offen.
CP bei Vic-la-Gardiole, Montag, 25.04.1983, 20:00
Gestern Abend fror es mich regelrecht. Es war zwar kalt, an vorangegangenen Tagen
jedoch schon kälter gewesen. Vielleicht also eine Folge des verkorksten Magens.
In St. Maries wehte fast während meiner gesamten Anwesenheit ein starker Wind. Der CP
ist eine Wüste, der Strand nicht attraktiv.
Ein Mädchen aus dem Ruhrpott gesellte sich noch abends zu uns. Sie kam gerade aus
Sizilien, hatte nichts außer einem kleinen Beutel und ihren Schlafsack bei sich. Wollte
deshalb bei mir im Zelt pennen: Klar, geht, ist ja genügend Platz. Ein scheues, seltsames
Mädchen, diese Annette.
Nachdem gestern fast den ganzen Tag die Sonne schien, war heute Morgen wieder alles
grau in grau. Aber ich hatte Rückenwind! Ich flog nur so dahin, war im Nu in Aiguis-Mortes,
drehte dort eine Runde um die im 13. Jahrhundert erbauten Stadtmauern und fuhr dann
noch nach Le Grau-du Roi, anschließend nach La Grand-Motte, und dann, den größten Teil
der Strecke direkt an der Küste entlang, wobei ein scharfer Wind den Sand über die Straße
peitschte, bis zum hiesigen CP. Etwas über 70 km, die letzten 10 km kam sogar noch die
Sonne raus.
Der CP hier: Deprimierende Sorte, nur Dauercaravancamper mit Fernseher.
Siegfried
Trapp
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