Siegfried
Trapp
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Der Weg zum sicheren Burnout
- ein erprobtes Rezept für Lehrerinnen und Lehrer –
zusammengestellt von Paul Tresselt
Hinweis: Aus Gründen der Textvereinfachung wurden bei den Berufsbezeichnungen
immer nur die männlichen Bezeichnungen verwendet, wohl wissend, dass sie sich auch
auf Kolleginnen beziehen könnten.
In den letzten Monaten habe ich mich mit den Symptomen des „Burnout-
Syndroms“ näher beschäftigt, wobei mir aufgefallen ist, dass die
Kolleginnen und Kollegen, die in psychosomatischen Kliniken behandelt
wurden, sehr oft ähnliche Krankheitserscheinungen hatten. Diese wurden
fast immer von ziemlich gleichartigen Faktoren verursacht. Als ich diese
näher erforschte, wurde mir plötzlich bewusst, welche Ursachen den
Krankheiten zugrunde lagen. Daher fasse ich im Folgenden diese in Form
von Ratschlägen zusammen:
Lächeln Sie nicht – Unterricht ist ein ernstes Geschäft!
Ihr Gesicht muss Durchsetzungsfähigkeit und Härte ausstrahlen. Wenn
Sie lächeln, werden Sie von Schülern nicht ernst genommen. Die Eltern
meinen, Sie verachten ihre Erziehungsmethoden, und Ihr Schulleiter
glaubt, Sie nehmen die Sache nicht ernst.
Es gilt, die Lehrpläne zu erfüllen. Die Wirtschaft und die Schulaufsicht
erwarten das von Ihnen.
Nehmen Sie nichts auf die leichte Schulter, denn Lernen ist kein Spaß,
sondern harte Arbeit. Das muss auch Ihren Schülern klar werden! Lachen
hat im Unterricht nichts zu suchen. Es geht vielmehr um Klassenarbeiten,
Tests, Prüfungen, Lernstandserhebungen, Versetzungen, Abschlüsse –
alles Dinge, bei denen es nichts zu lachen gibt.
Für Schulleiter: Wenn Sie lächeln, ist Ihre Vorgesetztenfunktion in Gefahr.
Stellen Sie sich vor, der Schulrat oder der Dezernent sieht, wie Sie
lächelnd ins Lehrerzimmer gehen. Wie wollen Sie dann mit Ihren
dienstlichen Beurteilungen ernst genommen werden?
Machen Sie alles 150%ig – nur der perfekte Lehrer ist ein guter
Lehrer!
Hassen Sie jede Form von Unvollkommenheit! Es reicht völlig, wenn die
Schüler so sind. Lehrer müssen Vorbilder sein für die Jugend! Seien also
auch Sie ein leuchtendes, vollkommenes Vorbild! Bestrafen Sie jede Form
von Liederlichkeit und Unordnung: Kein Bruchstrich ohne Lineal! –
Niemals den Rand beschriften! – Alle Zeilen nummerieren! – Jedes Heft
muss einen andersfarbigen Umschlag haben! – Lassen Sie die
Berichtigungen so oft wiederholen, bis wirklich alles fehlerlos ist!
Lassen Sie keinen Pfusch durchgehen! Es gibt schon genug Pfusch in der
Welt, im Beruf, in der Politik, in der Wirtschaft. Bleiben Sie bei jeder
Prüfung hart! Passen Sie auf wie ein Luchs! Lassen Sie nichts durch-
gehen. Gehen Sie vor allem keine faulen Kompromisse bei Konferenzen
ein. Sorgen Sie dafür, dass die Prinzipien gewahrt bleiben. Nachsicht
lohnt nicht! Man dankt es Ihnen sowieso nicht, deshalb muss die
Gerechtigkeit siegen.
An Kleinigkeiten zeigt sich der wahre Musterlehrer. Ordnung ist das halbe
Leben! Lassen Sie sich nicht beirren. Halten Sie sich an Grundsätze,
halten Sie immer die Reihenfolge ein!
Für Schulleiter: Die perfekte Schule ist das Ziel aller Eltern und auch des
Schulträgers. Erfüllen Sie diesen Wunsch. Sorgen Sie für erstklassige
Konferenzprotokolle und vorbildliche Aktenführung. Feilen Sie an Ihrer
Organisationsstruktur! Alles lässt sich irgendwie noch besser machen.
Trauen Sie keinem – Kontrollieren Sie alles!
Nur regelmäßige Kontrolle sichert die sorgfältige Erledigung aller Arbeiten.
Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser! Der Unterrichtstag muss mit
Kontrolle beginnen und enden:
Sind alle Schüler pünktlich? Wer schwänzt? Wer ist wirklich krank? Hat
sich kein Schüler in der Toilette versteckt? Wer raucht da im Gebüsch?
Hat da nicht jemand ohne Erlaubnis das Schulgelände verlassen? Steigt
da nicht eine Rauchwolke aus dem Toilettenfenster? Sind die ausge-
liehenen Bücher nicht beschmiert und pfleglich behandelt?
Für Schulleiter: Sind die Lehrer auch wirklich pünktlich da? Wird der
Unterricht auch pünktlich begonnen? Und nicht vorzeitig beendet? Ist die
Aufsicht pünktlich an ihrem Einsatzort? Sind die Klassenbücher ordentlich
geführt? Die Klassenarbeiten sorgfältig korrigiert? Die Haushefte regel-
mäßig nachgesehen? Stimmen die Eintragungen im Klassenbuch und in
den Kursheften wirklich mit dem Lehrplan überein?
Nur mit einer solchen Einstellung haben Sie die innere Genugtuung, Ihre
Dienstpflichten wirklich korrekt erfüllt zu haben. Stellen Sie eine Check-
liste auf. Wenn Sie alles abgehakt haben, werden Sie zufrieden sein.
Zeigen Sie Qualitätsbewusstsein - fordern Sie Leistung!
In der heutigen Spaßgesellschaft ist es nicht leicht, für mehr Leistung
einzutreten. Aber lassen Sie sich nicht beirren: Denken Sie daran, was Sie
früher leisten mussten und was Sie noch vor einigen Jahren den
Schülern abverlangt haben. Das geht heute auch noch. Sie müssen nur
den Mut haben es durchzusetzen. Kehren Sie also dorthin zurück und
leiten Sie die Wende ein. Die Wirtschaft wird es Ihnen danken. Und die
Schulministerin auch, denn die fordert mehr Qualität von Schule. Lassen
Sie sich nicht überreden, eine Leistung als „gut“ zu bezeichnen, die nicht
wirklich gut ist. Hören Sie auf, Kinder zu verwöhnen und zu verweich-
lichen.
Für Schulleiter: Steigern Sie die Leistung Ihres Kollegiums durch
regelmäßige Unterrichtsbesuche und Leistungsberichte. Führen Sie
Mitarbeitergespräche und legen Sie Zielvereinbarungen fest, die Sie
halbjährlich überprüfen. Die Krankheitszeiten senken Sie durch ein
cleveres Fehlzeitenmanagement.
Nutzen Sie Ihre Vorgesetztenfunktion besser aus durch klare Dienst-
anweisungen und Aufgabendefinitionen.
Setzen Sie Prioritäten – die Schule ist das Wichtigste im Leben!
Das Lehrerdasein ist nicht nur Beruf, sondern Berufung. Sorgen Sie dafür,
dass Ihre Familie, Ihre Freunde und Bekannten dies akzeptieren. Dadurch
steigen Sie enorm in deren Achtung! Sie können dies wirkungsvoll unter-
stützen, indem Sie bei allen Gelegenheiten Ihre schwierige schulische
Situation schildern und Ihre idealen Erziehungsmethoden darlegen.
Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, denn schließlich haben Sie
Pädagogik studiert und die anderen nicht. Sie wissen, worauf es im Leben
ankommt und haben die richtigen Erziehungsmittel parat.
Für Schulleiter: Sorgen Sie immer dafür, dass die dienstlichen Belange
allen privaten Forderungen entgegenstehen. Damit können Sie alle
Urlaubsanträge ablehnen und Teilzeitkräften klarmachen, dass die Familie
gegenüber der Schule zurückzustehen hat.
Bedauern Sie sich und Ihre aussichtslose Lage!
Sie haben keine Chance. Sehen Sie das endlich ein: Sie werden nicht
befördert, Sie müssen mehr arbeiten, Ihr Gehalt wird eingefroren, Ihre
Pension wird gekürzt. Die Kinder werden frecher, die Eltern werden
erziehungsunfähiger, die Klassen werden größer und der Druck der
Schulaufsicht wird stärker. Wenn Sie richtig darüber nachdenken, gibt es
nichts Positives in der Schule.
Weisen Sie in allen Gesprächen mit Eltern, Bekannten und Verwandten
auf diese katastrophale Situation hin! Sie sind ein armes Schwein, dem
keiner hilft.
Für Schulleiter: Machen Sie dem Kollegium klar, dass Sie keine Unter-
stützung durch die Schulaufsicht, die Bezirksregierung oder das
Ministerium erwarten können. Weisen Sie daraufhin, dass in Ihrem
Bundesland zur Zeit sehr viele Schulleiterstellen frei und besetzbar sind
und dass jeder gern eine solche Stelle annehmen könnte. Machen Sie
allen klar, dass Sie sich geopfert haben und für alle Fehler verantwortlich
gemacht werden. Sie sind der Müllabladeplatz für alle Probleme. Ihr
höheres Gehalt ist nichts anderes als „Schmerzensgeldzulage“.
Decken Sie die Schwachstellen Ihrer Schule auf!
Verschließen Sie nicht die Augen vor der schlechten Arbeitssituation in
Ihrem Schulgebäude. Es gibt genügend Mängel in dem maroden System.
Lassen Sie sich beauftragen, das macht jeder Schulleiter gern: Werden
Sie Sicherheitsbeauftragter, Gefahrstoffbeauftragter, Drogenbeauftragter,
Strahlenschutzbeauftragter, Hygienebeauftragter, Brandschutzbeauf-
tragter. Und dann werden Sie fündig! In jeder Schule gibt es nämlich
Schwachstellen. Sie werden staunen, was es alles gibt: Schimmelpilze im
Keller, in der Turnhalle, in den Duschräumen. Kreissägen ohne Bremse,
Gasflaschen ohne Schlauchschellen, Turnhallenwände ohne Prallschutz,
Computer ohne Datenschutz, Kopiergeräte ohne Ozonfilter, verstellte
Fluchtwege, Türen ohne Panikverschluss, Umdruckflüssigkeit neben dem
Papiervorrat, Flaschen mit obskurem Inhalt ohne Etiketten in den
Schränken und vieles andere mehr.
Alles, was Sie bisher geärgert hat, können Sie endlich einmal auflisten
und den Schulleiter mit der Mängelbehebung beauftragen. Der wird
rotieren, aber das Kollegium wird es Ihnen danken: Endlich mal jemand,
der sich um alles kümmert!
Für Schulleiter: Tragen Sie den Konflikt mit der Schulverwaltung aus.
Heizen Sie dem Schulträger kräftig ein. Lassen Sie nicht die Ausreden mit
den fehlenden Finanzmitteln gelten. Aktivieren Sie die kommunalen
Politiker. Bestehen Sie auf einer sofortigen Mängelbehebung. Denken Sie
an den Wahlspruch der Bezirksregierung: Sicherheit geht vor Unterricht!
Lassen Sie nichts ungestraft – finden Sie die Schuldigen!
Schüler erlauben sich heutzutage viel zu viel. Alles wird beschmiert oder
sinnlos kaputt gemacht. Lassen Sie nicht locker in Ihrer Aufklärungsarbeit;
die Schule bietet jeden Tag neue Detektivaufgaben für Sie :
- Wer hat den Kaugummi hinter die Heizung geklebt?
- Wer hat die Wand beschmiert?
- Wer hat die Coladosen in die Sträucher geworfen?
- Wer hat die Toilette verstopft?
- Wer hat den Walkman (Taschenrechner) geklaut?
- Wer hat auf der Toilette geraucht?
- Wer hat diesen unverschämten Brief geschrieben?
Sie finden es heraus! Lassen Sie sich nicht entmutigen. Schauen Sie nicht
darüber hinweg, sondern gehen Sie diesen Dingen bewusst nach. Denken
Sie immer daran: Gerade bei den Kleinigkeiten muss Erziehung ansetzen!
Für Schulleiter: Die kriminelle Kleinarbeit lohnt sich. Sie schärft den Ver-
stand und den Blick für das Wesentliche. Mit zunehmender Vernehmungs-
technik stellen sich immer schneller kleine Erfolge ein: Ihre Aufklärungs-
quote steigt. Das verschafft Ihnen die Anerkennung des Kollegiums und
die Stärkung Ihres eigenen Selbstwertgefühls.
Seien Sie nicht nur Lehrer, sondern vor allem auch Erzieher!
Schule ist mehr als Unterricht! Nutzen Sie also die vielfältigen
Erziehungsmöglichkeiten außerhalb des Unterrichts. Seien Sie Vater-
ersatz, Babysitter, Ersatzmutter, Fürsorgerin, Jugendhilfe, Sozialamt,
Schulpsychologischer Dienst, Pro-Familia-Beraterin, Drogenberater,
Streetworker, Telefonseelsorger und Beichtvater.
Kinder unserer Zeit haben viele Probleme und brauchen jemanden, der
die Konflikte für sie austrägt. Wer könnte da geeigneter sein als Sie, der
die Situation genau kennt und weiß, welche Behandlung jedes Kind genau
braucht. Erweitern Sie also Ihr Betätigungsfeld. Greifen Sie aktiv in das
defizitäre Familienleben der Ihnen anvertrauten Kinder ein. Beseitigen Sie
die Ungleichheiten dieser Welt. Das ist auch eine Gelegenheit, außerhalb
der Unterrichtszeit mit Schülern, Eltern und gesellschaftlichen Institutionen
in Kontakt zu kommen. Die vielen Stunden der intensiven Gespräche
werden zwar nicht vom Schulministerium gesondert honoriert, sind aber
eine gern gesehene Leistung der christlichen Nächstenliebe.
Für Schulleiter: Der Schultag darf für Sie nicht mit dem Unterricht zu Ende
sein. Ob es notorische Schulschwänzer sind, die eine Zwangszuführung
brauchen, oder ob es eine Familie ist, die einen Erziehungsbeistand
braucht. Erst am Nachmittag haben Sie die Zeit, um in Ruhe mit den
entsprechenden Stellen die Probleme ausführlich zu erörtern. Das hebt
Sie in den Augen des Kollegiums besonders hervor, die sonst annehmen,
Sie würden sich nur um ein paar Verwaltungsangelegenheiten kümmern.
Unterrichten allein ist zuwenig, übernehmen Sie Zusatzaufgaben!
In der Schule gibt es viele Aufgaben, die nicht zum Unterricht gehören,
ohne deren Erledigung aber eine Schule nicht funktionieren würde. Wer
verwaltet denn die „Freud´- und Leid-Kasse“, wer bereitet den Lehreraus-
flug vor, wer organisiert den Weihnachtsbazar? Es sind doch immer nur
wenige tragende Säulen im Kollegium, auf denen derartige Lasten ruhen.
Und die machen das jahrelang ohne Murren. Gesellen Sie sich zu Ihnen:
Organisieren Sie das Schulfest oder Sportfest. Bieten Sie am Tag der
offenen Tür oder am Elternsprechtag Kaffe und Kuchen an! Lassen Sie
jede Geburtstagsfeier im Kollegium durch Ihre Gestaltung zu einem
Erlebnis werden! Bringen Sie sich mit Ihrem Hobby in die Schule ein:
Stellen Sie ein Aquarium auf und pflegen Sie es, organisieren Sie eine
Leihbücherei für Schüler, backen Sie Plätzchen oder Spekulatius in der
Adventszeit für das Kollegium. Eine Martinsgans wäre auch nicht
schlecht.
Für Schulleiter: Neben den vielen erfreulichen Kleinigkeiten, die es außer
dem Unterricht auch noch zu organisieren gilt, sollten Sie sich beispielhaft
hervor tun: Der Schultag darf für Sie nicht am Nachmittag zu Ende sein.
Den Abend gilt es zu füllen. Die Eltern würden sich über regelmäßige
Eltern-Stammtische freuen; sie sind begierig, über neue Unterrichts-
formen, das Schulprogramm, LRS-, HKS-, ADS- oder sonstige Syndrome
etwas zu hören. Organisieren Sie also Elternseminare und Gesprächs-
kreise.
Nutzen Sie das Wochenende und die Ferien zur
Unterrichtsvorbereitung!
Nehmen Sie am Wochenende möglichst viele Hefte mit nach Hause. Nur
so erhalten Sie einen lückenlosen Aufschluss über den Lernzuwachs der
Schüler. Außerdem haben Sie so eine gute Ausrede, dass Sie keine Zeit
haben, wenn jemand anderes etwas von Ihnen will.
Geschickterweise hat die Ministerin bewegliche Ferientage eingeführt, die
man mit den „Brückentagen“ an den Wochenenden nutzen kann, um
größere Ausarbeitungen für die Schule zu machen. Die ideale Gelegen-
heit, alles aufzuholen, was Sie bisher nicht geschafft haben, bieten
allerdings nur die Ferien. Dann können Sie sogar im Liegestuhl am Meer
oder in den Bergen Ihren Unterricht wunderbar planen. Vergessen Sie die
Fachbücher nicht. Jetzt können Sie sich weiterbilden, ohne dass Familien-
pflichten oder häusliche Aufgaben stören. Das ist viel effektiver als im
täglichen Stress zu Hause!
Für Schulleiter: Jeder weiß, dass die Weihnachtsferien hervorragend für
die Erstellung der Abiturvorschläge sind und die Sommerferien sich am
besten für die Vorbereitung des neuen Schuljahres eignen. Die Oster-
ferien und Herbstferien sind durch ihre 2-Wochen-Begrenzung der ideale
Zeitraum, um klar umrissene Konzepte auszuarbeiten. Am besten legen
Sie auch die Konferenztermine mit entsprechenden Tagesordnungs-
punkten immer auf die Zeit kurz nach den Ferien, dann können Sie dem
Kollegium alles druckfrisch präsentieren. Außerdem zwingen Sie wider-
willige Kollegen dadurch, in den Ferien sich darauf vorzubereiten.
Engagieren Sie sich im Freizeitbereich außerhalb der Schule!
Für einen Lehrer darf die Pädagogik nicht in der Schule aufhören. Die
Ausbildung ist zu kostbar und die Erfahrungen sind zu wichtig, um sie
nicht auch außerhalb des Unterrichts sinnvoll einzusetzen.
Gewerkschaften, Lehrerverbände, Parteien, Vereine, soziale und
kirchliche Gemeinschaften brauchen dringend Leute wie Sie. Wenn Sie es
geschickt anstellen, können Sie an mehreren Abenden pro Woche in
verschiedenen Gesprächskreisen Ihren sachkundigen Verstand wirken
lassen. Dabei ist es wichtig, auch echte Funktionen in diesen Vereinen
wahrzunehmen. Wenn Sie lediglich Mitglied wären, würden Sie Ihrem
Status nicht gerecht. Scheuen Sie sich nicht, Aufgaben zu übernehmen,
die mit Arbeit verbunden sind, denn in den Augen der anderen Berufs-
tätigen haben Sie ja mittags frei, während normale Arbeitnehmer oder
Selbständige wesentlich mehr Verpflichtungen zu erfüllen haben.
Für Schulleiter: Sie sind prädestiniert für den Gemeinderat, den Schulaus-
schuss oder die Mitarbeit im Pfarrgemeinderat. Schlagen Sie Angebote
dieser Art nicht aus. Wenn Parteien Sie bitten, für einen Stadtbezirk als
Kandidat für die nächsten Kommunalwahlen zur Verfügung zu stehen,
sollten Sie annehmen. Kontakte dieser Art sind auch gut für die Schule,
und die Integration von Politik, Kirche und Schule sollte möglichst
gefördert werden. Außerdem steigt Ihr Ansehen in der Kommune unge-
mein.
Als Lehrer verdienen Sie zu wenig – schaffen Sie sich einen kleinen
Nebenverdienst!
Im Vergleich mit der Wirtschaft ist das Gehalt eines Lehrers mit A12 oder
BAT III geradezu lächerlich. Das lässt sich etwas aufbessern, wenn man
einer kleinen Nebenbeschäftigung nachgeht. Nachhilfestunden sind eine
ausgezeichnete Geldquelle, da sie meist ohne steuerliche Abzüge
ausbezahlt werden. Daneben haben Volkshochschulkurse.
Computerkurse oder Übungsleiterstunden in Sportvereinen den Vorteil,
dass sie wegen wissenschaftlicher oder fachdidaktischer Tätigkeit bis zu
einem gewissen Grade steuerfrei sind. Das ist nicht schlecht. Anderseits
bieten sich schriftstellerische Tätigkeiten im Bereich von Arbeitsblättern,
Unterrichtshilfen oder Fachliteratur an. Die Verlage sind ganz heiß darauf,
von Ihnen eine Zusage zu erhalten.
Für Schulleiter: Sie neigen meist nicht zu Nachhilfestunden, sondern sind
an einer gewissen Beratertätigkeit oder als Referent für Fortbildungs-
veranstaltungen interessiert. In diesem Bereich gibt es auch interes-
santere Honorare. Falls Sie noch nicht in dieser Art engagiert sind, sollten
Sie sich an einschlägige Institute oder politische Stiftungen wenden. An
Themen wird es Ihnen nicht mangeln. Außerdem steht es Ihnen gut, wenn
in den Fortbildungsprogrammen, die den Schulen zugestellt werden, auch
einmal Ihr Name zu lesen ist.
Möchten Sie jedoch lieber unbemerkt die Kasse aufbessern, dann bieten
sich Versicherungen und Krankenkassen an. Die zahlen eine Prämie für
jeden Vertragsabschluss mit einem jungen Lehrer oder Lehramtsanwärter.
Setzen Sie ein Denkmal – Hinterlassen Sie Spuren!
Sie sind auf der Erde, um Spuren zu hinterlassen. Wie schade wäre es,
wenn Sie eines Tages die Schule verließen und man würde Sie nicht an
allen Ecken vermissen!
Also wirken Sie aktiv an der Gestaltung der Schule mit! Ihre Fähigkeiten
werden dringend in der Schulkonferenz gebraucht, im Lehrerrat, als
Vertrauenslehrer oder Beratungslehrer, als Ausbildungslehrer oder
Ausbildungskoordinator. Hier kommen Ihre intellektuellen Kompetenzen
erst richtig zur Geltung. Sie können nun alle Varianten von Konflikt-
lösungsstrategien richtig ausprobieren. Probleme haben nämlich alle:
Schulleiter, Kollegen, Eltern, Schüler und Lehramtsanwärter.
Für Schulleiter: Verewigen Sie sich im Schulprogramm! Denken Sie auch
an die Außenwirkung der Schule. Öffentlichkeitsarbeit ist Ihre ureigenste
Aufgabe. Also organisieren Sie Podiumsdiskussionen, geben Sie eine
Schulzeitung heraus, gestalten Sie die Schulwebseite im Internet, sorgen
Sie für spektakuläre Sponsorenauftritte, laden Sie Politiker ein und
machen Sie Ihre Schule zur Vorzeigeschule in der Region. Das wird Ihren
Namen der Nachwelt erhalten.
Lassen Sie sich an eine Ganztagsschule versetzen!
Das Nonplusultra einer ganzheitlichen Erziehungsarbeit ist die Ganztags-
schule. Erst diese Form der Pädagogik wird Sie als anspruchsvollen
Lehrer wirklich befriedigen. Hier können Sie nämlich den Schülern beim
Mittagessen Esskultur beibringen, hier können Sie in den Mittagspausen
für Schüler besondere Angebote machen (die als halbe Unterrichts-
stunden bezahlt werden) und Sie haben vor allem die Möglichkeit, mit den
Schülern zusammen die Hausaufgaben anzufertigen.
Kurzum: Sie haben die Schüler den ganzen Tag um sich und sind jeder-
zeit ansprechbar. Das macht erst den Vollprofi aus. Sehr wertvoll für Ihre
weitere berufliche Entwicklung werden auch die Erfahrungen sein, die Sie
gewinnen, wenn Sie die Schüler für Mathematik, Englisch oder Latein in
der 9. oder 10. Unterrichtsstunde am Nachmittag begeistern.
Für Schulleiter: Ganztagsschulen sind eine echte Herausforderung, der
sich alle Schulleiter stellen sollten. Die Organisation und Rhythmisierung
des Ganztags ist eine tolle Aufgabe. Sie lässt jemanden, der sich damit
beschäftigt, nicht mehr los. Besonders ergiebig sind die Lehrer-
konferenzen am Freitagnachmittag, weil sich an den anderen Tagen
irgendwelche Unterrichtsveranstaltungen befinden, die nicht ausfallen
dürfen.
Lassen Sie die Abendstunden nicht ungenutzt!
Es darf nicht sein, dass Sie sich nach dem Abendessen oder nach der
Tagesschau Ihrer Familie widmen oder eine Mußestunde einlegen. Ein
richtiger Lehrer liest nicht die Tageszeitung oder einfach ein Buch zur
Unterhaltung, sondern hat Fachzeitschriften abonniert. In diesen vollzieht
sich das wissenschaftliche Leben und die gesellschaftliche Diskussion um
die Probleme unserer Jugend. Gesundheitserziehung,
Gewaltbekämpfung, Warnung vor Vergewaltigung und Koma-Saufen sind
Problemfelder, die bewältigt werden müssen!
Für Schulleiter: Es gilt, Konzepte zu entwerfen und Vorschläge für die
nächste Konferenz zu machen. Probleme mit Migrantenkindern und
ausländischen Eltern, die die deutsche Sprache partout nicht lernen
wollen, müssen gelöst werden. Sie sind der Fachmann und haben
Kompetenz. Bringen Sie sich also ein in diese Diskussion: Schreiben Sie
Beiträge für Fachzeitschriften, die regionale Presse und vor allem
Leserbriefe. Damit bleiben Sie immer auf dem aktuellen Stand und sind
als kompetenter Gesprächspartner gefragt.
Schlusswort:
Ich weiß nicht, ob Sie bereit sind, alle Ratschläge
zu beherzigen. Aber in meinen 36 Dienstjahren
habe ich in unzähligen Gesprächen mit Kollegen
festgestellt, dass viele diese Ratschläge total
beherzigt haben. Sie haben meist das 65.
Lebensjahr in der Schule nicht erreicht. Manche
haben sich geweigert, bestimmte Ratschläge
anzunehmen und haben ernstzunehmende
Probleme bekommen. Andere haben die
Ratschläge völlig ignoriert, und es ging ihnen
fantastisch. Es ist schwer, Ihnen einen Rat zu
geben.
Entscheiden Sie also selbst, was Sie tun. Aber
denken Sie einfach mal über meine Ratschläge nach.
Textquelle: www.tresselt.de/download/burnout.doc