Die ersten Ansätze für
„Safer Sex“ – in Form der
Verwendung von Kondomen
aus tierischen Membranen –
sind schon über 3000 Jahre
alt, dienten aber primär der
Empfängnisverhütung, da
insbesondere das Konzept
des Krankheitserregers lange
Zeit unbekannt war.
In der Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg bis zur
Kulturrevolution der 1968er
Jahre wurden einige weitere
bedeutende Entdeckungen
gemacht, insbesondere das
Penicillin und die
Antibabypille. Das Penicillin
war unter anderem wirksam
gegen die Syphilis, eine der
bis dahin gefürchtetsten
sexuell übertragbaren
Krankheiten. Die Antibabypille hingegen versprach wirksamen Schutz vor ungewollten
Schwangerschaften. Diese Entwicklungen ermöglichten den jungen Menschen der 1968er Jahre,
eine Zeit der sexuellen Freizügigkeit einzuläuten, die unter anderem von einem erhöhten Grad an
Promiskuität („Freie Liebe“) geprägt war.
Dies änderte sich schlagartig und radikal durch den Schock, den die tödliche
Immunschwächekrankheit AIDS durch ihre weltweite, epidemieartige Ausbreitung und ihren, für
Medikamente nicht angreifbaren, Erreger HIV auslöste. Da AIDS sich als unheilbar herausstellte,
trat die Vermeidung der Infektion in den Vordergrund und das Konzept des Safer Sex fand seinen
Weg in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Groß angelegte Werbeaktionen versuchen
seither, die Menschen zur Beachtung der Richtlinien für „Safer Sex“ und insbesondere zum
regelmäßigen und selbstverständlichen Gebrauch von Kondomen zu bewegen, um so der
Ausbreitung von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten entgegenzuwirken.
Safer Sex heißt, sich stets so zu verhalten, dass eigene Samenflüssigkeit, Scheidenflüssigkeit,
Blut oder Blutspuren nicht in den Körper der Partnerin oder des Partners gelangen, und dass
umgekehrt solche Körperflüssigkeiten nicht in den eigenen Körper gelangen.
Krankheitsauslösende Keime (Pilze, Bakterien, Viren, etc.) befinden sich in unterschiedlicher
Konzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Vaginalsekret, Speichel, etc.)
und sind meist im Blut am höchsten, aber auch im Sperma und in der Vaginalflüssigkeit finden
sich oft hohe Konzentrationen an Krankheitserregern. In anderen Flüssigkeiten ist die
Konzentration zwar nicht Null, aber so gering, dass man davon ausgeht, dass die Infektionsgefahr
beim Kontakt vernachlässigbar klein ist.
Ziel von „Safer Sex“ ist es daher, den Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten zu vermeiden.
Da viele Keime durch die Schleimhäute (Vagina, Anus, Eichel, Mund, Augen, Nase)
aufgenommen werden können, ist es besonders wichtig, den Kontakt von Körperflüssigkeiten mit
Schleimhäuten zu vermeiden.
Für verschiedene Sexualpraktiken gelten unterschiedliche Richtlinien für den Safer Sex. Generell
gilt, je stärker die Beanspruchung des Gewebes (Harter Sex) ist, desto einfacher ist es für die
Viren in das Gewebe einzudringen.
Viele Sexualpraktiken kommen ohne das Eindringen („Penetration“) in den Körper des Partners
aus, diese werden meist dem Petting zugeordnet. Dringt der Penis des Mannes nicht in Vagina,
Mund oder After des Partners ein, kann dorthin auch keine Samenflüssigkeit gelangen. Petting gilt
daher als sicher, solange nicht Körperflüssigkeiten absichtlich in den Partner oder auf offene
Wunden befördert werden. Sperma auf unverletzter Haut (nicht auf den Schleimhäuten!) gilt als
sicher.
Bei Fellatio sollte insbesondere auf die Einbringung von Sperma in den Mund- und Rachenraum
verzichtet werden (kein Ejakulieren in den Mund), besonders das Verschlucken von Sperma birgt
ein hohes Infektionsrisiko. Bei Wundstellen beziehungsweise bei entzündeten Schleimhäuten im
Mund oder Rachen sollte auf Fellatio verzichtet werden, da dadurch ebenfalls ein erhöhtes
Infektionsrisiko entsteht.
Beim Cunnilingus sollte der Kontakt mit Menstruationsblut vermieden werden, welches ebenfalls
hochinfektiös ist.
Abgesehen von diesen Einschränkungen stellt der Oralverkehr jedoch nur ein vergleichsweise
geringes Risiko dar. Insbesondere für den Partner, der sich oral befriedigen lässt – also den
passiven Partner – ist das Risiko einer Infektion praktisch Null. Man geht davon aus, dass der
Speichel einen virushemmenden Effekt hat. Das Restrisiko kann durch ein Kondom beim Fellatio,
beziehungsweise ein Femidom oder Lecktuch beim Cunnilingus, noch weiter vermindert werden.
Der Analverkehr wird allgemein als eine Sexualpraktik mit sehr hohem Infektionsrisiko angesehen,
insbesondere für Infektionen mit HIV. Unsachgemäß ausgeführter Analverkehr führt häufig zu
Verletzungen, aus denen Blut austritt, das dann mit dem Penis des aktiven Partners in Kontakt
kommt. Kondome verhindern hier den wechselseitigen Kontakt von Körperflüssigkeiten mit
Schleimhäuten. Zusätzlich kann der Gebrauch von Gleitmittel das Verletzungsrisiko und damit das
Risiko des Kontakts mit Blut weiter senken. Insbesondere verhindert das Kondom den Kontakt
von Sperma mit der Darmschleimhaut, durch die Keime selbst dann aufgenommen werden
können, wenn die Schleimhaut unverletzt ist. Da die mechanische Belastung des Kondoms beim
Analverkehr oft höher ist als beim Vaginalverkehr, ist die Verwendung von besonders reißfesten
Kondomen mit größerer Wandstärke empfehlenswert.
Das Fisting ist eine Sexualpraktik, bei der das Gewebe sowohl des aktiven Partners (Hand) als
auch des passiven Partners (Darm, Vagina) stark belastet und gedehnt wird. Dadurch besteht ein
großes Verletzungsrisiko und dadurch ein erhöhtes Risiko für Kontakte mit Blut. Das
Verletzungsrisiko kann durch Gleitmittel vermindert werden. Ebenfalls empfehlenswert sind
sauber geschnittene Fingernägel. Außerdem werden Latexhandschuhe empfohlen, die einen
direkten Kontakt mit Blut an Wundstellen oder Schleimhäuten verhindern.
Sollte es aus irgendwelchen Gründen zu einem der oben beschriebenen Kontakte mit potenziell
infektiösen Körperflüssigkeiten kommen, empfiehlt es sich, die betroffene Stelle umgehend
gründlich zu waschen, idealerweise unter Verwendung eines geeigneten Desinfektionsmittels,
beispielsweise hochprozentiger Alkohol, Iodtinktur oder dreiprozentige Wasserstoffperoxidlösung.
Bei Aufnahme von Sperma in die Scheide oder in den Enddarm kann äußerliches Abbrausen zur
Risikominderung beitragen. Durch Pressen beziehungsweise Stuhlgang kann versucht werden,
aufgenommenes Sperma teilweise aus der Scheide oder dem Enddarm zu entfernen und damit
eine Reduktion der Viruslast zu erreichen. Es wird nicht empfohlen, innere Spülungen von
Scheide oder Enddarm vorzunehmen, da dabei die Infektionsgefahr durch mögliche Verletzungen
und tieferes Hineinspülen der Krankheitserreger eher erhöht als verringert wird.
Die Syphilis ist eine weltweit verbreitete, tödliche Infektionskrankheit, die durch das Bakterium
Treponema pallidum ausgelöst wird. Der Erreger findet sich in allen Körperflüssigkeiten, auch im
Speichel. Schon ein Kuss kann daher ansteckend sein. Kondome vermindern die Infektionsgefahr,
schließen diese jedoch nicht aus. Typisch für Syphilis sind ein oder mehrere münzgroße
nässende Geschwüre an der Eintrittsstelle des Bakteriums. Das Sekret aus diesem Geschwür ist
hochansteckend. Eine Syphilisinfektion kann eine HIV-Infektion begünstigen.
Da die Syphilis mit hochdosiertem intramuskulär verabreichten Penicillin in den frühen
Krankheitsstadien behandelbar und heilbar ist, die Behandlung aber mit fortschreitendem
Krankheitsverlauf immer schwieriger wird, ist eine rechtzeitige Diagnose der Krankheit extrem
wichtig. Bei festgestellter Syphilisinfektion ist mehrwöchige Enthaltsamkeit zwingend.
Beachtenswert ist, dass die Ansteckungsgefahr unmittelbar nach einer Infektion mit HIV am
größten ist, weil dann die Viruslast im Blut am größten ist. Da der HIV-Antikörper-Test ein
diagnostisches Fenster von drei Monaten hat, liegt die Zeit mit dem größten Infektionsrisiko
ausgerechnet in der Zeit, in der sich auch bei einem Test keine klaren Aussagen machen lassen.
Folglich kann trotz vorliegen eines aktuellen negativen HIV-Tests aus diesem allein auch keine
Aussage über den gegenwärtigen Infektionsstatus der betreffenden Person abgeleitet werden.
Hepatitis ist eine hochansteckende und je nach Erreger tödliche Krankheit. Die Infektiosität von
Hepatitis ist deutlich höher als die von HIV. Es genügt eine sehr viel kleinere Viruslast für eine
Infektion. Hepatitis hat, im Vergleich zu HIV, ein wesentlich höheres Risiko, durch zum Beispiel
orale Praktiken wie Cunnilingus oder Fellatio übertragen zu werden. Die Gefahr einer Infektion
kann drastisch verringert werden durch Verwendung von Barrieremethoden (Kondom, Lecktuch),
sowie durch eine Impfung, die in vielen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird. Auch
gemeinsame Benutzung zum Beispiel von Sexspielzeug oder Zahnbürsten kann das Virus
übertragen, und muss daher vermieden werden.
Gegen Hepatitis A und Hepatitis B sind Impfungen möglich und empfohlen, gegen Hepatitis C ist
gegenwärtig kein Impfstoff in Sicht.[
Weitere Risiken sind beispielsweise Gonorrhoe, Chlamydien, Papillomaviren sowie die genitale
Form von Herpes. Mit einer Prävalenz von 5 bis 10 % sehr häufig ist in Deutschland eine Infektion
mit Chlamydien, die in bis zu 75 % der Fälle unerkannt bleibt, jedoch unter anderem zu
Unfruchtbarkeit von Frauen führen kann und hoch ansteckend ist.
Safer Sex ist heute außerhalb fester Beziehungen bei einer Mehrheit der Menschen ein
akzeptiertes Konzept.
Dennoch wird Safer Sex von vielen Menschen als Sex minderer Qualität wahrgenommen. Studien
belegen, dass vor allem Männer beklagen, dass der Sex mit Kondom als deutlich weniger intensiv
empfunden werde, da der direkte Hautkontakt fehle. Darüber hinaus kann es sowohl zu psychisch
als auch physisch bedingten Erektionsproblemen kommen, insbesondere, wenn zu enge
Kondome benutzt werden. Es gibt auch Menschen, die besonderen Wert darauf legen, das
Ejakulat des Partners in sich aufzunehmen. Mit diesen Argumentationen begründen Personen, die
Safer Sex komplett ablehnen, so Beispielsweise jene die bewusst Bareback-Sex praktizieren, ihr
Verhalten.
In festen Beziehungen ist die Akzeptanz für Safer Sex niedrig. Man geht davon aus, dass sexuelle
Treue einen ausreichenden Schutz darstellt und man geht davon aus, dass das Infektionsrisiko
innerhalb einer Beziehung zumindest dann gering ist, wenn keiner der Partner einer Risikogruppe
angehört.[4] Dazu kommt, dass in einer festen Partnerschaft oft die Zeugung von Kindern
beabsichtigt ist.
Überprüfbare sexuelle Treue beider Partner oder völlige Enthaltsamkeit schließen das Risiko der
Ansteckung aus. Dies bleibt jedoch in vielen Fällen Theorie, weil sexuelle Treue in der Praxis
prinzipiell nicht überprüfbar ist. Trotz des Vorsatzes zur Keuschheit kann es zum
Geschlechtsverkehr kommen, was dann meist ungeschützt geschieht. Eine Studie der
Universitäten Columbia und Yale zeigte, dass ein Keuschheitsgelübde nicht gegen sexuell
übertragbare Krankheiten hilft.
Viele HIV-positive Menschen lehnen Safer Sex ab und präferieren ungeschützten Verkehr mit
anderen HIV-positiven Menschen (Serosorting – Beschränkung auf Sexpartner mit gleichem
Serostatus). Hintergrund ist, dass viele Betroffene der Auffassung sind, mehr als einmal könne
man sich nicht infizieren. Das ist jedoch so nicht richtig: Da HIV in vielen verschiedenen Varianten
vorkommt, kann es tatsächlich zu Mehrfachinfektionen mit verschiedenen Stämmen des HI-Virus
kommen, was die Behandlung während der Inkubationszeit massiv erschwert und den
Krankheitsverlauf teilweise drastisch beschleunigen kann.
Der Vatikan hat als Sprecher der katholischen Kirche klar Stellung bezogen und den Mitgliedern
der katholischen Kirche Safer Sex explizit verboten. Als Begründung für dieses Verbot wurde
genannt, dass nur jene sexuellen Aktivitäten zulässig seien, die innerhalb einer gültigen Ehe
stattfinden und die direkt auf die Zeugung von Kindern ausgerichtet sind, beziehungsweise bei
denen die Zeugung von Kindern möglich ist. Das ist bei Safer Sex ausgeschlossen, daher ist
Safer Sex für Katholiken verboten. Man argumentiert weiter, dass dies der Verbreitung von
Geschlechtskrankheiten keinen Vorschub leistet, da Enthaltsamkeit und eheliche Treue einen
zuverlässigeren Schutz vor Ansteckung bieten und somit eine Alternative zu Safer Sex darstellen.
Demgegenüber wird von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für den Gebrauch von
Kondomen zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit geworben. Die EKD-Kammer für
nachhaltige Entwicklung äußert im Juli 2007 in einer Studie Für ein Leben in Würde, dass zur
Bekämpfung von HIV „die Verwendung von Kondomen sowie der Verzicht auf Promiskuität“
gehöre. Im 58-seitigen Text wird 22 Mal das Wort „Kondom“ verwendet.
Eine andere Variante der Kritik wendet sich gegen die Förderung von „unmoralischem Verhalten“.
Diese Argumentationsweise findet sich besonders häufig in den USA. Es wird argumentiert, dass
durch die Möglichkeit der Verminderung von Ansteckungsrisiken die Angst vor der Ausübung von
Sexualität vermindert wird und auf diese Weise unmoralisches Verhalten gefördert würde, was
wiederum eine Vergrößerung des Ansteckungsrisikos mit sich brächte.
Diese Argumentation wird gestützt durch Studien, die nahelegen, dass jeder Mensch ein
Wohlfühl-Risiko-Level hat, das er aufrecht zu erhalten versucht. Man argumentiert, wie die
Gurtpflicht die Zahl der Verkehrstoten nicht habe senken können (was nach den Unfallstatistiken
in europäischen Ländern nicht zutrifft), so könne auch Safer Sex nicht die Zahl der Infektionen
senken. Wenn der Mensch glaube, dass sein allgemeines Lebensrisiko zu niedrig sei, suche er
bewusst oder unbewusst nach größeren Risiken. Wer glaube, sein Ansteckungsrisiko sei gering,
der weite die Zahl der Sexualpartner aus.
Text-Quelle: de.wikipedia.org/
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