Gesellschaftskritik Über Pin-up-Girls Von Peter Dausend Pamela Anderson auf dem "Playboy"-Cover, Patti Smith im neuen Pirelli-Kalender © Ellen von Unwerth/Playboy/Handout via Reuters; Annie Leibovitz/Ufficio Stampa Pirelli/action pressZEITmagazin Nr. 51/2015 21. Dezember 2015, 8:09 Uhr Vor exakt einem Jahr, als die Männerwelt schon nicht mehr in Ordnung war, sah es im legendären Pirelli-Kalender immerhin noch so aus, als sei sie es: Pin- up-Models verkörperten die Grundphilosophie des Machismo, wonach wenig Kleidung an schönen Frauen mehr als genug ist. Damit ist nun Schluss. Im Nachfolgemodell für das kommende Jahr präsentiert die Starfotografin Annie Leibovitz "starke Frauen" – und meint damit unter anderem Patti Smith, Yoko Ono und Chinas Antwort auf Angelina Jolie, die Schauspielerin Yao Chen. So angezogen wie 2016 war der Pirelli-Kalender noch nie. Damit nicht genug. In seiner Januar-Ausgabe wird der Playboy Pamela Anderson als die letzte Nackte in seiner Heftgeschichte präsentieren. Danach ist Schluss mit hüllenlos. Klar: In Zeiten der jederzeit verfügbaren, enthemmten Pornografie sind posierende nackte Frauen ungefähr so aufregend wie ein Reifen-Kalender, der Reifen zeigt. Westliche Gesellschaften sind heute geprägt von einem Dualismus aus Pornografie und Prüderie. Die Rückbesinnung auf das Textil, so kann man das sehen, ist demnach ein Versuch zurückzuerobern, was in der Porno/Prüderie-Dialektik verloren ging: die Erotik. Ganz anders sieht der Feminismus die (leicht) verhüllte Frau. Der Playboy, so war von Feministinnen zu hören, werde keineswegs von seinem männlich-pornografischen Blick auf den Frauenkörper ablassen. Im Gegenteil: Indem er die Frauen etwas anziehen lässt, würden nicht allein die Frauen vor Blicken verborgen – verhüllt werde die Absicht, sie als Sexualobjekt darzustellen. Von Pirelli erwarten die Feministinnen nach dem Leibovitz-Exkurs auch nichts Gutes: die Rückkehr ins Männliche, also Pornografische. Ich sehe das wie folgt: Dem modernen Mann ist durch die permanente Anforderung, verständnisvoll, familienorientiert, teamfähig zu sein, seine Männlichkeit so komplett ausgetrieben worden, dass er sich beim Betrachten einer Pirelli- oder Playboy-Nackten vorkommen muss, als sei er ein Halbtier, das weder seine Triebe noch seinen Testosteronspiegel im Griff hat. Wenn der verweiblichte Mann den Frauenkörper nun verhüllt, dient dies vor allem dem Selbstschutz. Ich mache da nicht mit. Den Playboy mit der letzten Nackten werde ich mir mit Freude anschauen. Und beim Betrachten der Bilder stets daran denken, dass Pamela Andersons Brüste zwar – wie Soziologen wissen – nackt, aber vor allem eins sind: ein soziales Konstrukt.
© strapp 2016
Siegfried Trapp
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Gesellschaftskritik Über Pin-up-Girls Von Peter Dausend Pamela Anderson auf dem "Playboy"-Cover, Patti Smith im neuen Pirelli-Kalender © Ellen von Unwerth/Playboy/Handout via Reuters; Annie Leibovitz/Ufficio Stampa Pirelli/action pressZEITmagazin Nr. 51/2015 21. Dezember 2015, 8:09 Uhr Vor exakt einem Jahr, als die Männerwelt schon nicht mehr in Ordnung war, sah es im legendären Pirelli-Kalender immerhin noch so aus, als sei sie es: Pin-up-Models verkörperten die Grundphilosophie des Machismo, wonach wenig Kleidung an schönen Frauen mehr als genug ist. Damit ist nun Schluss. Im Nachfolgemodell für das kommende Jahr präsentiert die Starfotografin Annie Leibovitz "starke Frauen" – und meint damit unter anderem Patti Smith, Yoko Ono und Chinas Antwort auf Angelina Jolie, die Schauspielerin Yao Chen. So angezogen wie 2016 war der Pirelli- Kalender noch nie. Damit nicht genug. In seiner Januar- Ausgabe wird der Playboy Pamela Anderson als die letzte Nackte in seiner Heftgeschichte präsentieren. Danach ist Schluss mit hüllenlos. Klar: In Zeiten der jederzeit verfügbaren, enthemmten Pornografie sind posierende nackte Frauen ungefähr so aufregend wie ein Reifen-Kalender, der Reifen zeigt. Westliche Gesellschaften sind heute geprägt von einem Dualismus aus Pornografie und Prüderie. Die Rückbesinnung auf das Textil, so kann man das sehen, ist demnach ein Versuch zurückzuerobern, was in der Porno/Prüderie-Dialektik verloren ging: die Erotik. Ganz anders sieht der Feminismus die (leicht) verhüllte Frau. Der Playboy, so war von Feministinnen zu hören, werde keineswegs von seinem männlich-pornografischen Blick auf den Frauenkörper ablassen. Im Gegenteil: Indem er die Frauen etwas anziehen lässt, würden nicht allein die Frauen vor Blicken verborgen – verhüllt werde die Absicht, sie als Sexualobjekt darzustellen. Von Pirelli erwarten die Feministinnen nach dem Leibovitz-Exkurs auch nichts Gutes: die Rückkehr ins Männliche, also Pornografische. Ich sehe das wie folgt: Dem modernen Mann ist durch die permanente Anforderung, verständnisvoll, familienorientiert, teamfähig zu sein, seine Männlichkeit so komplett ausgetrieben worden, dass er sich beim Betrachten einer Pirelli- oder Playboy- Nackten vorkommen muss, als sei er ein Halbtier, das weder seine Triebe noch seinen Testosteronspiegel im Griff hat. Wenn der verweiblichte Mann den Frauenkörper nun verhüllt, dient dies vor allem dem Selbstschutz. Ich mache da nicht mit. Den Playboy mit der letzten Nackten werde ich mir mit Freude anschauen. Und beim Betrachten der Bilder stets daran denken, dass Pamela Andersons Brüste zwar – wie Soziologen wissen – nackt, aber vor allem eins sind: ein soziales Konstrukt.
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