Siegfried
Trapp
Willkommen
Bienvenido
Welcome
wir keine Gesellschaft von Einzelgängern werden, die nur ihren egoistischen
Konsumfreuden nachgehen, müssen wir das Bewußtsein für freiwilligen Gemein-
sinn so stärken, daß eines Tages die Ausübung einer Voluntärtätigkeit im Dienste
der Gemeinschaft genauso anerkannt und prestigeträchtig ist wie der Gelderwerb
im Hauptberuf oder der Erwerb eines kostspieligen Konsumartikels. Prestige und
Anerkennung müssen schließlich „verdient" werden - entweder durch Arbeit oder
durch gute Werke.
Schlußbetrachtung
Ich komme zum Schluß, begründe noch einmal meine Vorgehensweise und fasse
wesentliche Ergebnisse zusammen: In meinen Zukunftsforschungen geht es nicht
um das, was ist - sondern um das, was sich verändert. Konkret:
Was hat sich verändert?
Was kommt auf uns zu?
Und wie werden wir damit fertig - was müssen wir also heute tun, um das
Morgen meistern zu können?
Im Zentrum meiner Forschung steht der Wertewandel - die Einstellungs-
und Verhaltensänderung insbesondere der jüngeren Generation. Die empirische
Basis hierfür liefern Trendanalysen, also Repräsentativbefragungen im Zeit-
vergleich - regelmäßige Befragungen in ganz Deutschland. Es ist sicher richtig: Große
gesellschaftliche Veränderungen von der Perestroika bis zur deutschen Einheit sind
nicht prognostizierbar, auch Kriege und Krisen von der Energiekrise über
Tschernobyl bis zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen
Jugoslawien nicht - voraussagbar aber sind die Lebensgewohnheiten der Menschen.
Der Wertewandel-einer Gesellschaft besteht ja nicht darin, daß wir uns sozusagen
über Nacht verändern. Er vollzieht sich vielmehr allmählich in dem Maße, in dem die
jüngere Generation einer Gesellschaft die ältere Generation ablöst. Und eine
Generation, die unter veränderten Lebens- und Wohlstandsbedingungen
aufwächst, gelangt zwangsläufig zu anderen Erfahrungen und Gewohnheiten.
Damit verändern sich auch die Einstellungen zum Leben, zu Arbeit, Konsum und
Freizeit.
Noch nie zuvor waren die Menschen einem solchen Angebotsstreß
ausgesetzt wie heute. Ständig müssen wir uns entscheiden, ob wir etwas machen
oder haben, selektiv nutzen oder ganz darauf verzichten wollen:
- Was ist eigentlich für mich wichtig und was nicht?
- Woher nehme ich den Mut, auch nein zu sagen?
- Und wie schaffe ich es, mich zu bescheiden, auch auf die Gefahr hin, etwas zu
verpassen?
Früher galt der Grundsatz "Eine Sache zu einer Zeit". Daraus ist heute die
Gewohnheit .,Mehr tun in gleicher Zeit" geworden. Wir umgeben uns mit
einem dichten Dschungel von Konsumgütern und vergessen dabei oft, daß es Zeit
erfordert, davon Gebrauch zu machen. Nur noch' neidisch können wir auf frühere
Kulturen zurückblicken, die im Zeitwohlstand lebten und sich eine „Mañana"-
Mentalität leisten konnten: Morgen ist auch noch ein Tag. Wir aber haben heute
ständig das Gefühl, morgen könnte es bereits zu spät sein: Konsumiere im Augen-
blick und genieße das Leben jetzt. Wir „nutzen" die Zeit mehr, als daß wir sie
„verbringen".
Die Karriere durch Konsum ist jedenfalls eine Illusion. Infolgedessen muß
der Konsument kompetenter werden, um die drohende Erlebnisinflation
überhaupt bewältigen zu können. Wer im künftigen Erlebniszeitalter bestehen
will, sollte die folgenden ganz persönlichen „Zehn Gebote" beherzigen:
1.
Bleib nicht dauernd dran; schalt doch mal ab.
2.
Jag nicht ständig schnellebigen Trends hinterher.
3.
Kauf nur das, was du wirklich willst, und mach dein persönliches Wohlergehen
zum wichtigsten Kaufkriterium.
4. Versuche nicht, permanent deinen Lebensstandard zu verbessern oder ihn gar mit
Lebensqualität zu verwechseln.
5. Lerne - zu lassen, also Überflüssiges wegzulassen.
6. Tu nichts auf Kosten anderer.
7. Verzichte auf Konsumangebote, wenn sie mehr Streß als Spaß bedeuten.
8. Lerne wieder, „eine Sache zu einer Zeit" zu tun.
9. Entdecke die Hängematte wieder.
10. Genieße nach Maß, damit Du länger genießen kannst.
Grundlagenliteratur
RAT Freizeit-Forschungsinstitut (Hrsg.): Wie arbeiten wir nach dem Jahr 2000? Hamburg 1989
B.A.T Freizeit-Forschungsinstitut (Hrsg.): Wie leben wir nach dem Jahr 2000? 2. Aufl., Hamburg 1989
B.A.T Freizeit-Forschungsinstitut (Hrsg.): Schöne, neue Freizeitwelt? Wege zur Neuorientierung,
Hamburg 1994
Opaschowski, H. W.: Freizeitökonomie. Marketing von Erlebniswelten, 2. Aufl., Opladen: Leske Verlag
1995
Quelle: Stahl und Eisen 115 (1995) Nr. 12