Siegfried
Trapp
Willkommen
Bienvenido
Welcome
A
rbeitsethos und
L
ehrkörper
Seit der Entwicklung eines modernen Arbeitsethos im
Zuge der Merkantilisierung und Industrialisierung der
Gesellschaft wurde ein Großteil des sich rasant
entwickelnden psychotechnischen Apparats dazu
gebraucht, den Menschen die Faulheit am
Arbeitsplatz auszutreiben. Vom buchstäblichen
Antreiber, der mit der Peitsche in der Hand hinter
dem Arbeitenden stand, über die Entwicklung einer
technischen Infrastruktur, die, wie das Fließband,
dem Arbeitenden keine Chance zur Faulheit lässt,
über die Vermessung und Optimierung von
Fähigkeiten und Kompetenzen bis zu modernen
Formen des Motivationsmanagements und der
pausenlosen Evaluierungen reichen diese Strategien.
Sie alle lassen nur einen Schluss zu: Sich selbst
überlassen, würden die meisten Menschen wohl
arbeiten, aber nicht in diesem Tempo, nicht in dieser
Intensität, nicht in dieser Form. Unter den
Bedingungen der industriellen Organisation von
Arbeit ist Fleiß keine Tugend, sondern eine
erzwungene und erpresste Unterwerfung unter ein
rigides Zeit- und Produktionsmanagement.
Arbeitszeitmessung und Überwachung sind dann
auch die heiligen Instrumente dieser Verfahren, wer
arbeitenden Menschen eine unterstellte Faulheit
austreiben will, beginnt sie zu beobachten und ihre
Arbeitszeit zu messen und zu kontrollieren. Die
moderne Arbeitswelt, wie menschenfreundlich sie
sich auch geben mag, ist im Wesentlichen deshalb
immer eine Misstrauenskultur. Als Nächstes wird es
in diesem Sinn die Lehrer treffen: Den ganzen Tag an
der Schule, in transparenten Klassenzimmern und
Büros, mit elektronisch erfassten Teilarbeitszeiten -
dann ist endlich Schluss mit der Faulheit.
Konrad Paul Liessmann in “Philosophicum Lech, Mut zur Faulheit”
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