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Kein Trend ohne Nebenwirkungen: Nun warnen Forscher vor dem permanenten E-Mail- Verkehr, der zur Sucht werden könne. Im Internet gibt es erste Selbsthilfegruppen. Eigentlich müsste das schwarze Teil den Aufkleber tragen: „Die EU- Gesundheitsminister warnen: Dauernutzung kann zu Abhängigkeit führen!“ Wer kennt sie nicht, die Zeitgenossen, die zwanghaft nach dem kleinen Helfer greifen, um eingehende Nachrichten abzurufen. Stetig versichern sie sich cartesianisch ihrer eigenen Existenz: Ich maile, also bin ich. Auch wenn der Vergleich mit dem Kokainderivat heillos übertrieben ist, mehren sich Stimmen, die in der elektronischen Post eine neue Geißel der Menschheit ausgemacht haben. Stellvertretend für sie kleidet die US-Business-Beraterin Marsha Egan die Malaise in die dramatischen Worte: „Eine Pandemie infiziert die Arbeitswelt.“ Der laienhafte Umgang mit E-Mail & Co. beeinträchtige nicht nur „den Stresslevel in den Firmen, sondern auch deren Umsatzzahlen“. Mit einigen Ausnahmen – den Umsatzzahlen von Mrs. Egans Consulting-Unternehmen beispielsweise. Seit die findige Soziologin aus Pennsylvania ihren „12-Punkte-Plan zur Heilung der E-Mail-Sucht“ propagiert, wird sie durch die US-Talk-Shows gereicht. Tausende Hilfesuchende haben bereits ihr Teleseminar gesehen oder ihren kostenpflichtigen Ratgeber im Internet heruntergeladen. Und Kundschaft wird ihr so schnell nicht ausgehen, da die wenigsten „ihre In-Box beherrschen, sondern“, so Egan „von ihr beherrscht werden“. Via Internet haben sich Selbsthilfegruppen formiert. Für viele ist es kein Segen mehr, immer und überall erreichbar zu sein, sondern ein veritabler Fluch. In manchen Positionen scheint der Informations-GAU unvermeidbar – Bundeskanzlerin Merkel etwa wird angeblich stündlich von ihrem Büro angesimst. Dem Problem, ununterbrochen unterbrochen zu werden, widmet sich nun die Wissenschaft. Um zu wissen, welche Auswirkungen die digitalen Dauerbotschaften auf die Konzentration haben, ließen Forscher des Londoner King’s College die eine Hälfte ihrer Versuchspersonen Marihuana rauchen, die andere eingehende E-Mails bearbeiten. Ergebnis: Die bekifften Probanden schnitten beim Lösen von Aufgaben weitaus besser ab als die bemailten. Einen temporären Verlust von rund zehn IQ-Punkten durch den Konzentrationskiller E-Mail hält der Psychologe Glenn Wilson für „äußerst realistisch“. Studien zufolge dauert es zwischen vier und acht Minuten, bis ein Angestellter nach einer Unterbrechung wieder konzentriert arbeiten kann. Rund zwei Stunden täglich gingen dadurch an Produktivität verloren, schätzt das New Yorker Forschungsunternehmen Basex. Der „Krebs der Arbeitswelt“ ist dieses manische Multitasking für Marsha Egan. Nur radikale Schritte wie beispielsweise limitierte Zeiten, in denen eingegangene Mails geöffnet werden dürfen, könnten dessen weitere Wucherung stoppen. Ihre Ratschläge will sie deshalb auch nicht mehr via World Wide Web, sondern in einem Buch veröffentlichen. Schließlich wolle sie die Hilfesuchenden nicht noch zusätzlich an den Computer zerren. Paradoxerweise soll nun entschleunigt werden, was eigentlich beschleunigen sollte. IBM arbeitet schon an einer passenden Software mit dem Arbeitstitel „Slow E-Mail Movement“. Text-Quelle: www.focus.de/digital/internet
Siegfried Trapp
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Kein Trend ohne Nebenwirkungen: Nun warnen Forscher vor dem permanenten E-Mail-Verkehr, der zur Sucht werden könne. Im Internet gibt es erste Selbsthilfegruppen. Eigentlich müsste das schwarze Teil den Aufkleber tragen: „Die EU- Gesundheitsminister warnen: Dauernutzung kann zu Abhängigkeit führen!“ Wer kennt sie nicht, die Zeitgenossen, die zwanghaft nach dem kleinen Helfer greifen, um eingehende Nachrichten abzurufen. Stetig versichern sie sich cartesianisch ihrer eigenen Existenz: Ich maile, also bin ich. Auch wenn der Vergleich mit dem Kokainderivat heillos übertrieben ist, mehren sich Stimmen, die in der elektronischen Post eine neue Geißel der Menschheit ausgemacht haben. Stellvertretend für sie kleidet die US- Business-Beraterin Marsha Egan die Malaise in die dramatischen Worte: „Eine Pandemie infiziert die Arbeitswelt.“ Der laienhafte Umgang mit E-Mail & Co. beeinträchtige nicht nur „den Stresslevel in den Firmen, sondern auch deren Umsatzzahlen“. Mit einigen Ausnahmen – den Umsatzzahlen von Mrs. Egans Consulting-Unternehmen beispielsweise. Seit die findige Soziologin aus Pennsylvania ihren „12- Punkte-Plan zur Heilung der E-Mail- Sucht“ propagiert, wird sie durch die US-Talk-Shows gereicht. Tausende Hilfesuchende haben bereits ihr Teleseminar gesehen oder ihren kostenpflichtigen Ratgeber im Internet heruntergeladen. Und Kundschaft wird ihr so schnell nicht ausgehen, da die wenigsten „ihre In-Box beherrschen, sondern“, so Egan „von ihr beherrscht werden“. Via Internet haben sich Selbsthilfegruppen formiert. Für viele ist es kein Segen mehr, immer und überall erreichbar zu sein, sondern ein veritabler Fluch. In manchen Positionen scheint der Informations-GAU unvermeidbar – Bundeskanzlerin Merkel etwa wird angeblich stündlich von ihrem Büro angesimst. Dem Problem, ununterbrochen unterbrochen zu werden, widmet sich nun die Wissenschaft. Um zu wissen, welche Auswirkungen die digitalen Dauerbotschaften auf die Konzentration haben, ließen Forscher des Londoner King’s College die eine Hälfte ihrer Versuchspersonen Marihuana rauchen, die andere eingehende E-Mails bearbeiten. Ergebnis: Die bekifften Probanden schnitten beim Lösen von Aufgaben weitaus besser ab als die bemailten. Einen temporären Verlust von rund zehn IQ-Punkten durch den Konzentrationskiller E-Mail hält der Psychologe Glenn Wilson für „äußerst realistisch“. Studien zufolge dauert es zwischen vier und acht Minuten, bis ein Angestellter nach einer Unterbrechung wieder konzentriert arbeiten kann. Rund zwei Stunden täglich gingen dadurch an Produktivität verloren, schätzt das New Yorker Forschungsunternehmen Basex. Der „Krebs der Arbeitswelt“ ist dieses manische Multitasking für Marsha Egan. Nur radikale Schritte wie beispielsweise limitierte Zeiten, in denen eingegangene Mails geöffnet werden dürfen, könnten dessen weitere Wucherung stoppen. Ihre Ratschläge will sie deshalb auch nicht mehr via World Wide Web, sondern in einem Buch veröffentlichen. Schließlich wolle sie die Hilfesuchenden nicht noch zusätzlich an den Computer zerren. Paradoxerweise soll nun entschleunigt werden, was eigentlich beschleunigen sollte. IBM arbeitet schon an einer passenden Software mit dem Arbeitstitel „Slow E-Mail Movement“. Text-Quelle: www.focus.de/digital/internet
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