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Trapp
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Debatte Wirtschaft und Wachstum:
Der grüne Osterhase
Es gibt keine Entkopplung von Wachstum und planetarischer Zerstörung, weshalb es auch keine
politische Umsteuerung geben kann. Aber es gibt Rettungsboote.
Ökonomische Transformation: Grünes Wachstum oder Degrowth? Foto: Archiv
Von NIKO PAECH
In einem Beitrag in der vorhergehenden Ausgabe von taz FUTURZWEI (Nr. 23)
referiert der Politologe Martin Unfried aktuelle Vorschläge zur klimagerechten
Transformation moderner Ökonomien. Beginnend mit der Position des grünen
Wachstums legt er deren Vertretern nahe, sie mögen »die Schwachstellen des
eigenen Ansatzes offen benennen und mögliche Lösungen diskutieren«. Zu Recht
verweist er dabei auf die misslingende Entkopplung wachsenden Wohlstandes von
Umweltschäden. Aber insoweit grünes Wachstum in nichts anderem besteht als
eben darin, steigende Güterproduktion ökologisch zu entkoppeln, strandet diese
Empfehlung in einem Zirkelschluss. Denn ebenso ließe sich dann die Nichtexistenz
des Osterhasen als dessen Schwachstelle identifizieren, für die Lösungen zu
suchen wären. Das Problem des grünen Wachstums liegt also eher in der
Fortschrittsgläubigkeit jener, die an dieser allen Naturgesetzen widersprechenden
Absurdität weiter festhalten.
Sodann werden einige wachstumskritische Veröffentlichungen ins Visier
genommen. Ihnen fehle es an konkreten Umsetzungsperspektiven, insbesondere
einer »ausgearbeiteten Makroökonomie«, um ein »stabiles Nicht-Wachsen«
steuern zu können. Offensichtlich übersieht Martin Unfried, dass längst
makroökonomische Modelle vorliegen, die eine Degrowth-Strategie als stabilen
Entwicklungspfad darstellen. Das Problem bestand nie darin,
Postwachstumsszenarien herauszuarbeiten, die sich in politische Maßnahmen
überführen lassen, sondern in den unvermeidbaren Folgen für den
vorherrschenden Lebensstil. Denn auch mit einer ausgeklügelten Makroökonomik
lässt sich weder die Physik noch die Wählermehrheit überlisten. Ohne die Letztere
ist eine zentral koordinierte Degrowth-Strategie aber nicht demokratisch zu
rechtfertigen. Wenn kein technologisches Entkopplungswunder zu erwarten ist,
folgt daraus neben der Notwendigkeit einer Postwachstumsökonomie eine zweite,
nicht minder einschneidende Konsequenz: Demokratische Regierungen verlieren
im Nachhaltigkeitsbereich die Basis ihrer bisherigen Handlungsfähigkeit.
Die Imagination einer vernunftgeleiteten Wählermehrheit, die sich rechtzeitig
herausbildet, um für das politisch Notwendige zu votieren, stützt sich auf die
verführerische Annahme, dass Umweltprobleme durch kollektive Entscheidungen
komfortabel und effizient gelöst werden können, nämlich auf additive, niemals
einschränkende Weise. Eine koordinierte Kraftanstrengung auf höchster
Systemebene soll zu diesem Zweck umfängliche Finanzierungen und technische
Entwicklungen mobilisieren. Der Glaube an diese Green-Growth-Logik mag zwar
inzwischen erodieren, nicht aber die naiv-modernistische Steuerungsillusion, der
zufolge Regierungsinstanzen und andere kollektive Akteure (zum Beispiel
Gewerkschaften, Kirchen, NGOs) über ein universelles Instrumentarium verfügen,
das in den Dienst auch jeder anderen Transformationsrichtung gestellt werden
könnte.
Tatsächlich war aber jede bis dato erwogene oder umgesetzte Nachhaltigkeits-
und Sozialpolitik an Wachstumsprozesse gekoppelt, stand also unter dem
Vorbehalt, für niemanden mit Wohlstandsverlusten einherzugehen. Mit dieser
staatlichen Garantie ließen sich Wahlen und folglich politische
Handlungsspielräume gewinnen – aber eben nur solche, die auf unerfüllbaren
Green-(New)-Deal-Versprechen beruhten. Nun, da dieser Deal auffliegt, weil die
erforderlichen grünen Wohlstandssubstitute nie existierten oder sich als nicht
minder ruinös herausstellen, steht der Kaiser nackt da. Ihm bliebe nur die Option,
Einschränkungen zu oktroyieren, die allem widersprechen, womit sich
Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg legitimiert und erfolgreich angebiedert
haben. Eine konsequente Degrowth- oder Postwachstumsstrategie käme deshalb
unter den momentanen kulturellen Bedingungen einem politischen Selbstmord
gleich. Deshalb verschanzen sich demokratische Regierungen hinter
technologischen Nachhaltigkeitsattrappen, die erstens politische
Handlungsfähigkeit simulieren, zweitens den Wohlstand unangetastet lassen,
drittens das Gewissen beruhigen und viertens eine profitable »grüne« Industrie
entstehen lassen.
Fazit: Was die Wählergunst sichert, endet langfristig im ökologischen Abgrund.
Und was die Lebensgrundlagen sichert, endet kurzfristig im politischen Abgrund.
Angesichts dieses Dilemmas müsste auf die Wachstumswende eine Politikwende
folgen. Diese kann nur auf einer doppelten Umkehrung gründen, nämlich erstens
die Nachhaltigkeitspraxis, zweitens den sozialen und institutionellen Hintergrund
eines gesellschaftlichen Wandels betreffend.
Quelle: https://taz.de/Debatte-Wirtschaft-und-Wachstum/!5932364/